Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
ist falsch. Irgendwo reißt sich ein Denkinhalt, eine Vorstellung, eine Idee von der Wirklichkeit los und führt ein unkontrollierbares Eigenleben. Diese Wahnidee kann um sich greifen und den Alltag des Patienten überschatten. Dann stört sie seine Beziehungen zu anderen Menschen, beherrscht sein Denken und verändert sein Gefühlsleben. Ein Wahn kann vielerlei Ursachen haben. Wahnideen treten regelmäßig als Begleiterscheinung von anderen Psychosen, zum Beispiel von Schizophrenien und Depressionen auf. Diese Psychosen sind durch eine formale Denkstörung oder eine Störung des Gefühlslebens gekennzeichnet. Die inhaltliche Denkstörung stellt sich erst als Reaktion darauf ein.
Eine Depression bewirkt eine alles verfinsternde, niedergedrückte Stimmung mit gleichzeitiger Antriebsarmut. Ein depressiver Patient fühlt sich innerlich abgestorben, im Extremfall kann er sogar überzeugt sein, er existiere gar nicht mehr (das so genannte
Cotard-Syndrom). Oftmals hindert nur die Antriebsarmut den Depressiven daran, sich umzubringen; er möchte sterben, aber er bringt nicht die Energie auf, Hand an sich zu legen. Bei einer Schizophrenie geraten die höheren Funktionen des Gehirns noch stärker aus dem Gleichgewicht als bei einer Depression. Das Gefühlsleben, die Wahrnehmung und der Vorgang des Denkens selbst verlieren ihre Ordnung und ihren Zusammenhang. Bei der Schizophrenie treten Sinnestäuschungen (Halluzinationen) auf, das Gefühl für die eigene Person ist beeinträchtigt, und das Denken ist entweder verlangsamt oder im Gegenteil auf chaotische Art und Weise beschleunigt. Der Denkzusammenhang geht verloren, die Gedanken lassen sich nicht mehr steuern, kreisen um ein bestimmtes Thema, wiederholen sich ständig oder reißen plötzlich ab. Dem Erkrankten kann diese Störung durchaus bewusst sein; er leidet darunter, aber er kann nichts dagegen unternehmen. Die Grenze zwischen dem Ich und der Außenwelt wird durchlässig, die Außenwelt beginnt die Innenwelt zu durchdringen und zu bestimmen. Gleichzeitig wechselt die Stimmung ohne angemessene äußere Ursache, Misstrauen stellt sich ein und Wahnideen kommen auf. Das Interesse an der Außenwelt lässt nach oder erlischt, der Kontakt zu anderen Menschen reißt ab. Die Wahnideen der Schizophrenen sind oft bizarr, schnell wechselnd, logisch nicht nachvollziehbar und uneinfühlbar.
Nicht alle diese Symptome müssen gleichzeitig auftreten, deshalb kann die Diagnose im Einzelfall schwierig sein. Wahnsymptome, Störungen des Gefühlslebens und des Antriebs, formale Denkstörungen und Störungen des Ich-Empfindens treten in unterschiedlichen Kombinationen auf. Fast immer quälen die Erscheinungen den Patienten und machen ihm Angst. Auch körperliche Leiden oder Vergiftungen können die Funktion des Gehirns so sehr stören, dass die Symptome einer Schizophrenie auftreten. Mit der erfolgreichen Behandlung der Grundkrankheit verschwinden jedoch meist auch die Gefühls- und Denkstörungen.
An diesem kurzen Exkurs lässt sich bereits ablesen, wie heikel das Gleichgewicht im menschlichen Gehirn ausbalanciert ist. Es muss sinnliches Wahrnehmen, Fühlen, Denken und Handeln störungsfrei zusammenführen, um daraus ein sicheres Abbild der Wirklichkeit konstruieren zu können. Der Kybernetiker Heinz von Foerster stellt dazu fest:
»Das Nervensystem ist so organisiert (bzw. organisiert sich selber so), dass es eine stabile Realität errechnet.«
Wenn ein Teilbereich des Gehirns fehlerhaft arbeitet, versucht das Gesamtsystem immer noch, eine stabile Realität zu errechnen – mit teilweise bizarren Ergebnissen.
Im Zuge einer Schizophrenie oder nach einer Hirnverletzung gelangen manche Menschen zu der Überzeugung, Doppelgänger, Roboter oder Aliens hätten ihre Angehörigen beseitigt und unbemerkt deren Platz eingenommen. Diese bizarre Wahnvorstellung ist als Capgras-Syndrom bekannt. Namensgeber ist der französische Psychiater Jean Marie Joseph Capgras, der diesen Wahn zusammen mit seinem Kollegen Jean Reboul-Lachaux im Jahre 1923 erstmals wissenschaftlich beschrieben hat. Seitdem hat man diese Wahnvorstellung immer wieder gefunden. Seit einigen Jahren gibt es Hinweise darauf, dass ihr ein Abriss der Verbindung zwischen Erinnerung und Gefühl zugrunde liegt. Normalerweise erkennen wir eine Person, weil wir das von den Augen gelieferte Bild mit dem Bild in der Erinnerung vergleichen. Mit der Erkennung verbinden wir bestimmte Gefühle. Bei guten Freunden und nahen Verwandten stellt
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