Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
sich ein Gefühl der Vertrautheit und Zugehörigkeit ein. Bei einigen Menschen mit Capgras-Syndrom konnten Forscher zeigen, dass trotz sicherer Erkennung das Vertrautheitsgefühl nicht aufkommt. Die sonst enge Verbindung zwischen diesen beiden Gehirnleistungen ist bei ihnen zerrissen.
Der Patient sieht und erkennt seine Angehörigen, aber sie erscheinen ihm nicht vertraut. Sein Gehirn errechnet jetzt eine widersprüchliche, instabile Realität. Sein Bild von der Außenwelt gerät ins Wanken. Die Vorstellung, seine Angehörigen seien durch genau gleich aussehende Fremde ersetzt worden, stabilisiert seine innere
Abbildung der Realität wieder – auf Kosten einer bizarren Annahme über die Außenwelt. Bei Capgras-Patienten wäre also der Wahn nicht Ausdruck einer »unrichtigen Schlussfolgerung über die externe Realität« ( DSM - IV ), sondern der verzweifelte Versuch des Gehirns, die Stabilität seiner errechneten Realität zu wahren.
Ähnliches beobachtet man bei Depressionen. Anders als die Melancholie ist die echte Depression eine schwere Erkrankung mit einer tief herabgedrückten Stimmung, aber der Unfähigkeit, Trauer oder Freude zu empfinden. Gleichzeitig bemerken die Patienten, dass der Gang ihrer Gedanken gehemmt ist und sie sich zu nichts mehr entschließen können. Daraus entspringen Wahnideen, mit denen die Kranken ihre Stimmung zu erklären versuchen. Sie sehen sich von Verarmung bedroht (Verarmungswahn), glauben todkrank zu sein (hypochondrischer Wahn) oder betrachten alles Handeln und Streben als hoffnungslos und sinnlos (nihilistischer Wahn). Hier steht die depressive Stimmung am Anfang, die wahnhafte Erklärung ist die Folge der Grundkrankheit. Am Anfang des Wahns muss also nicht unbedingt eine falsche Bewertung der externen Realität stehen, sondern es kann ebenso gut ein Versuch des Gehirns sein, eine innere Störung auszugleichen.
Ein Verfolgungswahn entsteht also zum Beispiel aus dem unbestimmten Gefühl, beobachtet, abgehört oder manipuliert zu werden. Im Rahmen einer Schizophrenie leiden die Patienten oft unter dem Gefühl, ihre Gedanken würden ihnen aus dem Kopf gesogen oder abgehört; was sie denken, werde laut und sei allen zugänglich, ohne dass sie sich dagegen wehren können. Im Laufe der Erkrankung bauen die Patienten ihr zunächst unbestimmtes Missempfinden zu einem mehr oder weniger bizarren Wahnsystem aus. Hatte ein Kranker zum Beispiel zu Beginn seiner Krankheit nur das unbestimmte Gefühl, abgehört und mit krank machenden Strahlen beschossen zu werden, kann er nach einigen Wochen bereits genau erklären, dass die NASA ihn mit unsichtbaren Mikrophonen abhört und ihn vernichten will, weil er gesehen hat, dass außerirdische Wesen die Stadtverwaltung von Stuttgart übernommen haben.
Mit der Behandlung der Grundkrankheit verschwinden auch die Wahnsysteme. Sie leben nicht aus eigenem Recht, und sobald das Gehirn des Kranken sein Gleichgewicht wieder erreicht, haben sie ihre Rolle ausgespielt.
Der reine Wahn
Wahnideen können auch auftreten, ohne dass eine andere Störung des Seelenlebens erkennbar wäre. In diesem Fall wirkt der Patient durchaus klar und orientiert. Oft versteht er es sogar, vernünftig klingende Beweisketten zur Untermauerung seines Wahns anzuführen. Alle Urteile und Wahrnehmungen außerhalb des Wahnsystems können vollkommen normal sein. Der Verfolgungswahn Iwans des Schrecklichen ist vermutlich eine Folge der buchstäblich mörderischen Verhältnisse am Zarenhof während seiner Jugend. Er neigte ohnehin zum Misstrauen gegen seine Umwelt und die ständige, durchaus begründete Angst vor Angriffen auf sein Leben verstärkten diesen Zug seiner Persönlichkeit immer weiter. Woher aber stammt der – viel häufigere – Verfolgungswahn bei Menschen, die niemals wirklich verfolgt wurden?
Das ist oft schwer festzustellen, denn die meisten Wahnkranken suchen erst dann einen Arzt auf, wenn ihr Wahn unerträglich wird – für sie selbst oder für ihre Umgebung. Sicher ist, dass manche Menschen ihren Mitmenschen von vornherein misstrauen. Wenn dieser Zug die Persönlichkeit extrem dominiert, sprechen Mediziner und Psychologen von einer
paranoiden Persönlichkeitsstörung.
Es ist schwer, mit solchen Menschen umzugehen. In jeder Bemerkung suchen sie nach einer Kränkung, in jeder Handlung nach einer Zurückweisung. Sie wirken nach außen hin oft gefühlsarm, abweisend, streitsüchtig und humorlos. In ihrem Inneren aber fühlen sie sich fortwährend von der Außenwelt
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