Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
Regierungsbeamten sich an die ungeschriebene Regel hielten, die Politik ihren Männern zu überlassen und sich auf Wohltätigkeitsveranstaltungen und Spendengalas zu beschränken, sagte Martha Mitchell der Presse unverblümt ihre Meinung. Sie wartete nicht, bis sie gefragt wurde, sondern rief die Reporter selbst an, vorzugsweise zwischen Mitternacht und Morgendämmerung. Ihre politischen Ansichten waren überwiegend unterhaltsam und immer stramm republikanisch. Sie erklärte ihren Gesprächspartnern beispielsweise: »Erwachsene möchten geführt werden. Sie reagieren eben auf Disziplin.« Demonstranten gegen den Vietnamkrieg bezeichnete sie als »sehr liberale Kommunisten«. Sie telefonierte vorwiegend vom blauen Wandtelefon ihres Badezimmers aus, »damit John nichts merkt«. So erfuhr John Mitchell die politischen Kommentare seiner Frau oft genug erst aus der Zeitung.
In Marthas Geburtsstadt Pine Bluff im tiefsten Arkansas wären ihre Ansichten vielleicht nicht ungewöhnlich gewesen, in Washington aber gerieten ihre Auftritte zur Peinlichkeit. Einer ihrer ehemaligen Lehrer sagte einem
Time
-Reporter: »Martha hatte einen guten Intellekt, wenn sie davon Gebrauch machte. Das tat sie aber nie. Sie war ein hübsches, fröhliches kleines Mädchen ohne Verstand.«
Ihre Anhänger liebten ihre Geradlinigkeit, und sie bekam stapelweise Fanpost. Die Presse attestierte ihr einen gewissen »unterbelichteten Charme«. Man munkelte auch, ihre nächtlichen Telefonate seien oft genug von einer übergroßen Anzahl abendlicher
Drinks beflügelt gewesen. Niemand nahm ihre Ansichten wirklich ernst. John Mitchell nannte seine Frau nachsichtig ein »unguided missile«.
Dann kam das Jahr 1972 . Die erste Amtszeit von Präsident Nixon endete mit Ablauf des Jahres und im November standen Präsidentschaftswahlen an. Die Republikaner nominierten Nixon für eine zweite Amtszeit, und John Mitchell trat vom Amt des Justizministers zurück, um Direktor des Wiederwahlkomitees zu werden. Am 17 .Juni 1972 verhaftete die Polizei in Washington fünf Einbrecher beim Versuch, im Wahlhauptquartier der demokratischen Partei Abhöranlagen anzubringen. Die Demokraten hatten ihre Wahlkampfzentrale im vornehmen Watergate-Hotel eingerichtet.
John Mitchell war zu dieser Zeit mit seiner Frau in Kalifornien unterwegs, um für Nixons Wiederwahl Geld aufzutreiben. Er flog sofort nach Washington und ließ Martha unter der Obhut des Sicherheitsoffiziers Steve King in einem Gästehaus der Regierung zurück. Als sie annahm, dass er schlief, rief sie bei der UPI -Reporterin Helen Thomas an und schüttete ihr Herz aus. Sie drohte, dass sie ihren Mann verlassen werde, wenn er sich nicht aus dem »dreckigen Geschäft« der Politik zurückziehe. Weiter kam sie jedoch nicht. Helen Thomas hörte plötzlich Geräusche eines Kampfes, dann war die Leitung tot. Der Sicherheitsoffizier hatte die Telefonschnur aus der Wand gerissen. Dann ließ er Martha Mitchell gewaltsam ein Beruhigungsmittel spritzen und schloss sie in ihr Zimmer ein, wie sie später erzählte. Wollte er verhindern, dass sie etwas ausplauderte? Bis heute ist dieser Zwischenfall nicht geklärt.
John Mitchell trat im Juli als oberster Wahlkampfmanager zurück, versöhnte sich mit seiner Frau und lebte mit ihr für einige Monate in einem luxuriösen Apartment in Manhattan. Nixon gewann die Präsidentschaftswahl im November mit großem Vorsprung. Im März 1973 kochte der Watergate-Skandal hoch, als einer der Einbrecher erklärte, die Abhöraktion sei von John Mitchell und dem Präsidentenberater John Dean in Auftrag gegeben worden.
Während Nixon zunächst die Fassade des von seinen Beratern hintergangenen Ehrenmannes wahren konnte, zog sich die Schlinge um John Mitchell unerbittlich zusammen. Das ließ Martha keine Ruhe, und in einem ihrer berühmten Nachtanrufe erklärte sie der UPI -Reporterin Helen Thomas: »Wenn mein Mann irgendetwas über den Einbruch wusste, dann wusste Mr.Nixon auch darüber Bescheid.« Sie forderte, Nixon solle zurücktreten. Martha Mitchell wiederholte die Vorwürfe in weiteren Telefongesprächen. Sie sprach oft mit schleppender Stimme, was ihrem Südstaatenakzent, ihrem Alkoholkonsum oder einer Kombination davon zugeschrieben wurde. Sie sah eine riesige Verschwörung unter Einschluss des Präsidenten, für die ihr Mann den Südenbock spielen sollte. Außer Helen Thomas wollte ihr niemand glauben. Schließlich verließ ihr Mann sie. Ihre beiden Kinder stellten sich auf seine
Weitere Kostenlose Bücher