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Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer

Titel: Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Grüter
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von unvorstellbarem Ausmaß gestürzt. Mehrere Millionen Menschen waren verhungert. Stalin verschanzte sich im Kreml oder in seiner Datscha und ließ sich von einer mehr als 1000 Mann starken Leibgarde abschirmen. Auch seine Außenpolitik blieb erfolglos: Der Versuch, in Deutschland einen kommunistischen Umsturz herbeizuführen oder wenigstens tatkräftig zu unterstützen, schlug fehl. Stattdessen hatten dort die Nationalsozialisten die Macht ergriffen. Angesichts dieser Misserfolge ließ Stalins Rückhalt in der Partei deutlich nach.
    In dieser Situation entwickelte sich der Leningrader Parteichef Kirow immer mehr zum innerparteilichen Rivalen. Er verkörperte alle Eigenschaften, die Stalin fehlten. Er war noch jung (Stalin hatte 1929 seinen 50 . Geburtstag gefeiert), wirkte fröhlich, warmherzig, offen und volksnah. Stalin hingegen zeigte sich meist misstrauisch, verschlossen und abweisend. Kirow trat für die Versöhnung der Parteiflügel ein, Stalin hatte stets versucht, Gegner und Rivalen zu vernichten. Jede Versöhnung betrachtete er als Machtverlust. Die Delegierten des XVII . Parteitags der KPd SU wählten Kirow mit nur
drei Gegenstimmen in das Zentralkomitee, Stalin hingegen fehlten 270 Stimmen. In den Jahren 1933 und 1934 baute Kirow seine Position stetig aus, gestützt auf die mächtige Leningrader Parteiorganisation. Offiziell deckte der Personenkult um Stalin alle Differenzen zu. Trotzdem hatte Kirow gute Chancen, dem Diktator seine absolute Macht zu entreißen. Da geschah etwas Unerhörtes: Am 1 .Dezember 1934 wurde Kirow von einem Attentäter im Leningrader Parteigebäude erschossen. Der Mörder wurde noch am Tatort verhaftet, ein Wirrkopf namens Leonid Nikolajew. Irgendjemand, eventuell Stalins Geheimdienst-Chef Jagoda, hatte ihm eine Waffe verschafft und ihn auf Kirow angesetzt. Seltsamerweise fehlten in Kirows Amtssitz am 1 .Dezember die sonst obligaten Wachen. Ob Kirows Ermordung auf Stalins Befehl oder mit seinem Einverständnis in Szene gesetzt wurde, ist immer noch unklar. Sicher ist allerdings, dass Stalin den Tod seines Rivalen entschlossen ausnutzte. Er nahm ihn zum Anlass für die so genannte Große Tschistka (Säuberung), auch Großer Terror genannt.
    Noch am Abend des Mordtages gab Stalin einen Notstandserlass heraus, in dem er sich selbst mit weitgehenden Vollmachten ausstattete. Er versprach dem Attentäter Nikolajew Gnade, wenn er gestand, den Mord an Kirow im Auftrag eines Leningrader und Moskauer »konspirativen Zentrums« verübt zu haben. Nikolajew gestand und wurde mit 13 angeblichen Komplizen hingerichtet. Wenige Wochen später ließ Stalin Grigori Sinowjew, Lew Kamenew und 17 weitere Männer der »moralischen Verantwortung« für das Attentat anklagen. Sinowjew und Kamenew hatten mit Stalin zusammen nach Lenins Tod die Partei angeführt, aber Stalin hatte sie in den zwanziger Jahren entmachtet und ihrer Posten enthoben. Jetzt sah er die Gelegenheit, sie endgültig zu vernichten. Die Anklage der »moralischen Verantwortung« war an den Haaren herbeigezogen, aber sie führte erwartungsgemäß zu Schuldsprüchen für alle Angeklagten. Die Leningrader Parteiorganisation ließ Stalin 1935 ebenfalls gründlich »säubern«. Hunderte von Kirows Gefolgsleuten verschwanden im Gefängnis. In Moskau und im übrigen
Land herrschte dagegen weitgehend Ruhe. Man hatte den Bauern nach der Katastrophe der Zwangskollektivierung gestattet, ein Stück Land für sich selbst zu bearbeiten und die Erträge zu verkaufen. Die Massenverhaftungen der politischen Gegner hörten erst einmal auf. Die bürgerlichen Intellektuellen ließ man einigermaßen in Ruhe. Insgeheim aber bereitete Stalin den großen und endgültigen Schlag gegen seine Gegner vor. Dazu gehörte auch, dass er seinen entmachteten Gegner Leo Trotzki zu einem dämonischen Widersacher mit einer gigantischen subversiven Organisation aufbaute.
     
    Leo Trotzki war einer der führenden Köpfe der Bolschewiki zur Zeit der Revolution. Ihm verdankten die Bolschewiki den militärischen Sieg im russischen Bürgerkrieg. Stalin hatte Trotzki im Jahre 1925 entmachtet, 1928 nach Kasachstan verbannt und 1929 schließlich außer Landes bringen lassen, wo er ihn weiter verfolgen ließ. Trotzkis Aufrufe an die russischen Kommunisten verhallten ungehört. Er hatte nie eine große Gefolgschaft gehabt; trotz seiner unbestrittenen Erfolge im Bürgerkrieg und seiner intellektuellen Brillianz war er einsam geblieben. Ihm fehlte die Fähigkeit, Menschen zu

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