Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer
begeistern; er wirkte arrogant, unduldsam und besserwisserisch. Gleichzeitig war er dogmatisch bis zur Engstirnigkeit und unfähig zum Kompromiss. Während Stalin seine Machtposition abseits jeder Ideologie zielstrebig ausbaute, gefiel sich Trotzki in ideologischen Volten und griff jeden an, der ihm eventuell hätte helfen können. Als Stalin ihn endlich verjagte, hatte er bereits mit den Exponenten aller wesentlichen Machtströmungen in der Partei gebrochen. Seine eigene Gefolgschaft erwies sich als zu schwach. Von Stalin unter massiven Druck gesetzt, löste sie sich bis zu Trotzkis Ausweisung weitgehend auf.
Trotzkis These von der »permanenten Revolution« aber hatte im Ausland durchaus Anhänger. Sie halfen ihm erst einmal, sich im Exil einzurichten. In der Türkei, später dann in Frankreich, Norwegen und Mexiko entwickelte Trotzki eine unermüdliche schriftstellerische
Tätigkeit. Er verfasste Streitschriften, Analysen, Verteidigungen und Polemiken. Er schuf eine Unzahl von marxistisch-leninistischen Luftschlössern, an denen er unbelehrbar festhielt und über die er jede fruchtbare Diskussion verweigerte. Auf diese Weise verprellte er immer mehr seiner Anhänger. Er sah sich als Wissenschaftler und Analytiker, als einsamen Propheten und als einzigen Leuchtturm der wahren Lehre. In der gesamten Zeit seines Exils zählte Trotzkis aktive Anhängerschaft eher nach Hunderten als nach Tausenden. In der Ud SSR unterstützte ihn kaum noch jemand.
Trotzki führte also eindeutig nicht jene riesige subversive Organisation an, die ihm die stalinistische Propaganda unterstellte – und Stalin wusste das. Er hatte Trotzki in ein dichtes Netz von sowjetischen Agenten eingehüllt und verfolgte jede seiner Bewegungen. Aber nach der Logik der Propaganda musste dem »Genie Stalin« ein teuflischer Widersacher entgegengestellt werden, dem man alle Fehlschläge des Systems anlasten konnte. Also baute Stalin Trotzki planmäßig als eine Art dämonischen Gegenpol auf.
Die Vorhut des gesellschaftlichen Fortschritts unter der Führung des »Genies Stalin« machte keine Fehler, so lautete ein Glaubenssatz der Kommunistischen Partei. Trotzdem wurden ständig und überall Produktionszahlen verfehlt oder entstanden Versorgungsengpässe. An der Partei konnte es nicht liegen, also musste ein tausendarmiger, über das ganze Land verbreiteter, teuflischer Gegner daran schuld sein: der Trotzkismus. Ihn galt es mit allen Mitteln zu bekämpfen. Denunziation wurde Pflicht, wer nicht denunzierte, machte sich mitschuldig. Das galt auch für enge Familienmitglieder. Seit 1935 erlaubte Stalin die Todesstrafe bereits für Kinder ab zwölf Jahren.
Stalin wusste zwar, dass Trotzki ihm nicht gefährlich werden konnte, aber er war sicher, dass von allen Seiten Ränke gegen ihn geschmiedet wurden. Sein eigener Weg an die Spitze der Partei war mit Lügen, Intrigen und Verschwörungen gepflastert. Er hatte seinen Aufstieg und die Festigung seiner Macht nach einem immer
gleichen Muster betrieben: Er umgab sich zunächst mit Menschen, die ihm etwas schuldeten und die gefährliche oder schmutzige Arbeiten zuverlässig für ihn erledigten. Dann baute er eine Organisation auf, die ihn mit Informationen versorgte und seine Weisungen ausführte. Gleichzeitig betrieb er zielstrebig die Vernichtung seiner Gegner und Rivalen. Er schmiedete Bündnisse und brach sie, wann immer es ihm sinnvoll erschien. Nichts anderes erwartete er von seinen Gegnern. Aus seinen Äußerungen kann man schließen, dass sein Machtverständnis sich auf die Regel »Fressen oder gefressen werden« gründete. Stalin kannte kein Miteinander, nur den brüchigen Waffenstillstand im ewigen Stellungskrieg um die überlegene Position, die dem Sieger den entscheidenden Schlag ermöglichte. Er verfolgte seine Gegner grundsätzlich bis zu ihrem Tod. Sein Sicherheitsbedürftnis erlaubte keine Kompromisse, es gab nur das ICH oder SIE , bis zur letzten Konsequenz. Dazu kam eine andere Facette seiner Persönlichkeit: Stalin war außerordentlich intelligent, hatte aber nie einen Berufsabschluss gemacht. Seit er mit 19 Jahren aus dem Priesterseminar geworfen worden war, betrieb er hauptberuflich die Revolution. Wie viele intelligente Menschen ohne Ausbildung neigte er dazu, seine Fähigkeiten zu überschätzen. Wenn er also nach ausgiebigem Aktenstudium, der Befragung von Experten und eigenen Überlegungen eine Anweisung gab, dann hielt er sie für unbedingt richtig und durchführbar. Nach dieser
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