Freitags Tod
Sie.« Dabei blickte Ostendarp zur Kellnerin hinüber, die ihm ihr fröhliches Lächeln schenkte. Julia war froh, dass sie der »Fledermaus« entkommen konnte.
Als Conrad vom Kindergarten zurück war, fand er Julia blass und niedergeschlagen in dem Golf, den sie als Dienstwagen nutzte.
»Hat dich ganz schön mitgenommen, was?«, sagte Conrad.
»Ein bisschen«, gab sie zu. Sie war keine, die ihre Befindlichkeit verbergen konnte, und wollte es auch nicht, wenn er richtig verstand.
»Gottfried Freitag war der Geschäftsführer von Haus Abendsonne. Wieso wird so einer ermordet? Er war vielleicht kein Guter, vielleicht sogar ein Kotzbrocken. Aber so?« Julia schüttelte den Kopf. Ihre Hände lagen tatenlos auf dem Lenkrad.
»Sieht nach Hass aus, nach viel Hass. Du hast die Stichverletzungen ja gesehen, alle am Oberkörper. Die eine am Hals hat sicher für das Blutbad gesorgt. Und das Gesicht … Warum die Augen? Das ist Hass – und noch etwas anderes.« Einen Moment hing er seinen Gedanken nach.
»Ich habe mal einen Fall erlebt, eine türkische Frau mit elf Stichverletzungen. Ihr Mann hatte sie so zugerichtet. Sie hat knapp überlebt, weil sie ziemlich dick war. Das war ihr Glück. Und er kam mit ein paar Jahren wegen Körperverletzung davon.« Conrad legte den Gurt an.
Man hatte ihn und seinen Kollegen an das Krankenbett auf der Intensivstation gerufen. Es gab nichts zu sehen außer dem gewölbten Laken über dem massigen Leib und den Schläuchen, die die Frau mit Atem und Flüssigkeit versorgten. Die Ermittlungen verliefen unproblematisch und waren rasch abgeschlossen. Dennoch hatte der Fall ihn bis in den Schlaf verfolgt, und er konnte sich nicht erklären, weshalb.
»Es ging um die Ehre, hat der Ehemann gesagt. Aber ich habe gesehen, wie er sie angeschaut hat. Er hat sie gehasst. Abgrundtief.«
»Dann fahren wir erst zur Familie?« Julia hatte sich gefasst. Sie stieß die Luft aus. »Die Putzfrau hat behauptet, dass es zwischen dem Opfer und der Ehefrau Streitigkeiten gegeben habe. Auch zwischen ihm und den Kindern. Allerdings traut sie keinem von ihnen einen Mord zu. Die wären zu gut dafür. So hat sie sich jedenfalls ausgedrückt. Übrigens arbeitet sie auch privat für die Freitags.«
»Was hältst du von ihr?«
»Wirkte ziemlich geschockt. Insgesamt ganz sympathisch. Irina Glück schien der Familie sehr zugetan.«
»Glück?«
»Nett, nicht? Sie ist Ukrainerin, wahrscheinlich mit deutschen Wurzeln. Macht sich Sorgen wegen ihres Aufenthalts.« Julia setzte Conrad über die Befragung ins Bild. Auch über die Unregelmäßigkeiten, die Ostendarp aufgedeckt zu haben glaubte, berichtete sie .
»Er ist ein alter Haudegen, der Ostendarp. Immer noch.« Conrad holte tief Luft. »Wollen wir?« Er hatte keine Lust, die Todesnachricht zu überbringen, auch wenn seine Kollegen ihm nachsagten, er ginge mit den Angehörigen von Opfern immer sehr einfühlsam um. Wahrscheinlich eine Schutzbehauptung, um selbst der unangenehmen Aufgabe zu entgehen. Da keine anderen Kollegen zur Verfügung standen, blieb es ihm ohnehin nicht erspart.
»Hast du die Adresse?«
Julia nickte und drehte den Zündschlüssel um.
6
Vom Haus Abendsonne in der Grimpingstraße zum Hexenweg brauchten sie nur wenige Minuten. Julia parkte den Golf in der Auffahrt hinter einem dunkelgrünen, blank geputzten Range Rover. Der Klinkerbau im Landhausstil lag zurückgesetzt auf einem Grundstück, das von Sträuchern und Büschen umgeben war und dessen Grenzen sich schlecht ausmachen ließen. Ein von Rosenrabatten gesäumter Kiesweg führte vom weißen Gartentörchen gerade auf die Eingangstür zu. Der Rasen war frisch geschnitten, und es duftete nach Heu.
»Ein hübsches Anwesen«, bemerkte Conrad. »Geerbtes oder angeheiratetes Geld, was meinst du?«
»Oder Altenheime sind einträglicher, als man sich gemeinhin vorstellt.« Julia wies auf das teure Fahrzeug vor ihnen.
Nachdem der elektronische Gong der Türglocke verhallt war, vergingen ein, zwei Minuten, bevor sich Schritte näherten und die Eichentür einen Spalt geöffnet wurde.
»Ja?« Das fein geschnittene, von Locken umrahmte Gesicht einer schmalen Frau nahm einen überraschten Ausdruck an, dann verschloss es sich.
»Morgenstern, Kriminalpolizei«, sagte Julia. Ihr schien unwohl zu sein bei dem Gedanken, welche Nachricht die Frau in dem einfach geschnittenen Leinenkleid erwartete. »Das ist mein Kollege Böse.«
Conrad lächelte knapp. »Wir würden gern mit Ihnen reden.« Plötzlich
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