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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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Erniedrigung.
    „Backbord“, sagte eines der Schweine. „Da ist ein Tal, das um Ben Lui führt und an der Spitze von Loch Awe endet. Und dann geht’s zu dem Meer zugewandten Ende von Loch Etive. Dann auf Berg-und-Talfahrt nach Mull. Wirst du leicht seekrank, Höllenhure?“
    Sie gab keine Antwort. Sie befolgte die Anweisungen wie ein Roboter. Rura Alexandra mit dem silbernen Nippel unterwarf sich den Befehlen eines dreckigen Schweins. Jedes Bild, sagt man, erzählt seine Geschichte.
    Loch Lomond hatten sie hinter sich gelassen. Berge ragten auf, verschwommen, nebelverhangen. Berge und Schluchten. Dann kam wieder offenes Wasser. Die Schweine schienen zu wissen, was sie taten, wohin sie fuhren. Rura nahm keine Notiz mehr. Es gab nichts, wovon sie Notiz hätte nehmen sollen. Schließlich erreichten sie das Meer. Rura bemerkte es kaum. Das Frauto schaukelte heftig; deshalb wurde ihr klar, daß sie auf dem Meer waren. Aber es machte keinen Unterschied. Nichts machte mehr einen Unterschied.
    Es herrschte sehr starker Regenfall im Sund von Mull, und der Himmel war dunkel.
    „Sieht aus wie das Ende der Welt“, dachte Rura. „Na ja, für mich ist es ja auch das Ende der Welt. Ich bin zwanzig Jahre alt und erbe jetzt eine Ewigkeit des Nichts. Vielleicht gibt es doch Geister. Ich hoffe nicht. Wie könnte ich das alles jemals Moryn und den anderen erklären?“ Sie schaltete den einzelnen, durchdringenden Schweinwerfer des Frautos an, wurde jedoch sofort angewiesen, ihn wieder abzuschalten.
    „Ich glaube nicht, daß ihr jetzt Hubschrauber dort oben habt, Höllenhure, und wenn ihr welche dort hättet, dann glaube ich kaum, daß die etwas sehen könnten. Aber wir wollen das Schicksal nicht versuchen. Das würde dem Herrn gar nicht gefallen.“
    „Ich kann nichts sehen“, sagte sie.
    „Mach dir nichts daraus, Fickfleisch.“ Er lachte auf. „Mach dir keine Gedanken über Kleinigkeiten. Wir sind deine Augen.“
    Rura konnte außer Regen und windbewegtem Wasser nichts sehen. Und doch schienen die zwei Schweine genau zu wissen, wo sie waren. Sie leiteten sie den Sund entlang zum Strand bei den Ruinen des Dorfs Tobermory. Sie sagten ihr, sie solle die Maschinen abschalten und landen. Dann benutzten sie den Scheinwerfer als Signal.
    Aus dem Nebel und dem Regen tauchten Gestalten auf. Rura wurde aus dem Frauto gezerrt und auf den steinigen Strand geschleudert. Ein Mann kam und betrachtete sie von oben. Sie konnte seine Schuhe sehen, abgetragene, zerfledderte Schuhe. Aber sie getraute sich nicht zu deren Träger aufzuschauen.
    „Sei gegrüßt, Herr“, sagte ein Schwein. „Wir bringen Beute. Ein Frauto, zu drei Vierteln vollgetankt, Lasergewehre, Granaten und eine Höllenhure.“
    „Sei gegrüßt, Fergus Mackinnon. Es war für euch wenn auch ein trüber, so doch schöner Tag, sehe ich. Hatten wir Ausfälle?“
    „Nein, Herr. Die Höllenhuren haben angebissen. Keine Ausfalle. Aber wir haben zwei erlegt und die hier mitgebracht. Sie hat nicht gekämpft.“
    „Nicht gekämpft? Interessant. Das Grenzregiment ist nicht gerade bekannt für Pazifismus.“
    Mit einem Mal erkannte Rura die Stimme. Sie wußte es nicht genau: vielleicht hatte sie sie schon im ersten Moment erkannt. Vielleicht hatte sie kein Interesse gehabt, sie wiederzuerkennen. Sie schaute auf und starrte in das Gesicht von Diarmid MacDiarmid.
     

13
     
    In dem Dorf Tobermory auf der Insel Mull standen noch einige Häuser. Es waren Häuser, die beinahe vierhundert Jahre gestanden hatten. Sie waren aus Stein gebaut und mit Schiefer gedeckt. Primitive Hütten waren es, und sie hatten die urtümliche Eigenschaft des Überdauerns.
    Rura wurde in eine dieser Hütten gebracht. Im Kamin war ein Feuer, das ebensoviel Rauch in das Zimmer spuckte, wie durch den Kamin abgezogen wurde. Diarmid MacDiarmid saß auf einem Stuhl, der eine eigenartige Ähnlichkeit mit einem Thron hatte. Rura stand vor ihm. Hinter ihr standen verschiedene Männer und Frauen, die in Felle und Wollkleider gehüllt waren.
    „Den Richtspruch“, sagte eine Stimme. „Wir wollen den Richtspruch hören.“
    Diarmid MacDiarmid schaute sie an. Dann schaute er die Leute hinter ihr an. „Es wird einen Richtspruch geben“, sagte er. „Aber ich muß meine Voreingenommenheit anmelden. Ich kenne diese Frau. Deshalb überlasse ich den Richterstuhl dem, der ihn einnehmen will.“
    „Behalte ihn, Herr. Behalte du ihn!“
    „Ich frage noch einmal: Will jemand anders den Richterstuhl einnehmen?“
    Keine

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