Freiwild Mann
MacDiarmid und der Duglas betraten den Kreis, jeder mit einem Dolch bewaffnet und jeder einen schottischen Plaid um den anderen Arm gewickelt.
„Ihr seid alle Zeugen“, sagte der Duglas, „daß weder Zeit noch Ort mein Wille waren!“
„Ihr seid alle Zeugen, daß ich meine Voreingenommenheit angemeldet habe und daß sich keiner beschwert hat. Und doch wurde mein Urteil angefochten, und ich werde es jetzt verteidigen.“
„Bist du bereit, Herr?“
„Ja, Duglas, ich bin bereit. Und der Regen auf meinem Gesicht ist angenehm.“
Die beiden Männer umkreisten sich angespannt. Der Duglas versuchte ein oder zwei Angriffe. Diarmid war aufmerksam und nicht zu überraschen.
„Noch ist Zeit, Herr, diese Angelegenheit in Freundschaft zu beenden.“
„Mann, diese Zeit ist in dem Moment verstrichen, in dem du den Dolch geworfen hast. Wie gefallt dir der Regen, Duglas, gefällt er dir gut?“
Plötzlich sprang Duglas vor. Der mit dem Plaid umwickelte Arm fing den Stoß auf. Als der Dolch zurückgezogen wurde, war er blutbefleckt.
„Ein Streich, ein Treffer!“ schrien die Zuschauer.
Rura wollte sich übergeben. Sie hatte unrecht gehabt und jede andere recht. Männer waren wirklich Zerstörer. Wenn sie niemand anders zum Zerstören hatten, dann brachten sie sich gegenseitig um. Sie zwang sich, Diarmid MacDiarmid anzusehen. Seine Zähne waren gefletscht, seine Lippen zu einem schrecklichen Grinsen erstarrt. Er war ein Tier.
„Tatsächlich ein Streich“, sagte Diarmid. „Das erste Blut geht an Duglas. Das letzte – wer weiß?“ Er griff nicht an. Er wartete.
Der Duglas witterte einen raschen Sieg und sprang wieder nach vorn. Diarmid wich aus, sehr langsam. Der Dolch zerriß sein Hemd.
Jetzt war der Duglas sich seiner Sache sicher. Sein Gegner war zu langsam. Die Verletzung hatte ihn entnervt. Jetzt war die Zeit für einen schnellen Sieg. Er würde wieder angreifen, und der Herr würde parieren oder zur Seite schreiten. Und dann würde Duglas herumwirbeln, und der Dolch würde im Herz des Herrn sein.
Er griff an und gab auf die erwartete Reaktion acht.
Diarmid MacDiarmid parierte nicht. Er sprang hoch. Der Dolch fuhr ihm ins Bein. Doch als er herunterkam, schien sich sein Körper zu dehnen, sein Arm zu verlängern; und sein Dolch war bis zum Ansatz in den Nacken des Duglas eingegraben.
Der große Mann taumelte wie irre, seine Arme fielen herab. Der Dolch entfiel den entkräfteten Fingern. Blut tropfte von seinen Lippen. „Ein weiterer Sieg für MacDiarmid“, murmelte er. „Der Regen …“ Dann fiel er.
Diarmid stand eine Weile schwer atmend da. Dann schaute er Rura an. „Höllenhure, jetzt bist du wirklich meine Frau. Kümmere dich um meine Wunden.“
14
Der winzige Seehafen Tobermory hatte sogar in seinen wohlhabendsten Tagen, im letzten Teil des zwanzigsten Jahrhunderts, nicht mehr als eintausend Einwohner. Deren Steinhütten paßten zu der schwarzen Landschaft und scharten sich zusammen, als suchten sie als Schutz vor den ewigen Angriffen des Windes und des Meeres die Gesellschaft Gleichgearteter. Jetzt bestand die zeitlich befristete Bevölkerung von Tobermory einzig aus einigen Dutzend Männern, Frauen und Kindern. Sie würden nicht lange bleiben. Sie blieben nirgendwo lange; wenn sie das nämlich taten, dann würden sie von den Vernichterinnen gefunden. Dann würden Frautos den Sund von Mull heraufgeschossen kommen – Frautos, besetzt mit fanatischen schwarzgekleideten Frauen, die den Flammentod brachten.
Diarmid MacDiarmid bewohnte – seiner Position angemessen – die beste Hütte. Sie war zumindest wasserdicht. Wunderbarerweise war das Glas in zweien der Fenster nicht zerbrochen. Die anderen drei waren abgedichtet worden.
Nach seinem Duell mit dem Duglas hatte Diarmid – blutverschmiert und grauenhaft anzuschauen – noch einmal gefragt, ob jemand sein Urteil anfechte. Er sah großartig aus mit dem windzerfurchten Haar und Bart, mit dem zerrissenen Hemd und dem Blut, das aus dem verletzten Arm tropfte. Schweigen herrschte in der Gruppe von Menschen, die dem Kampf zugeschaut hatten. Keiner von ihnen hatte gedacht, daß er diesen Kampf würde überleben können. Der Mann mußte tatsächlich übermenschliche Kräfte haben. Einige waren vielleicht nicht seiner Meinung. Trotzdem waren sie stolz auf ihn. Sie waren stolz, daß ihr Herr ein Mann war, der einstecken konnte, was über normale Erträglichkeit ging.
Der Duglas wurde entkleidet und seiner Waffen entledigt – Kleider und
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