Freiwild Mann
Gipfel vom Nebel verhüllt waren.
„Horrido!“ rief Mirage. „Schweine bei drei Uhr. Zwei Feuer, vier Zelte, glaube ich. Etwas mehr als zweitausend Meter entfernt.“
„Sie müssen blind sein“, sagte Robin, „wenn sie uns hier auf dem Wasser nicht sehen, selbst bei diesem Wetter. Wir fahren schnell rein und verbrennen das ganze Landstück, bevor wir landen.“ Sie gab volle Beschleunigung, was dem Frauto eine schwindelerregende Position gab. Es schoß über das Wasser. Mirage und Rura kurbelten ihre Fenster herunter und nahmen ihre Gewehre in Anschlag. Regen schlug ihnen ins Gesicht. Die kalte Luft ließ sie nach Luft schnappen. Die Entfernung wurde kleiner.
„Eintausend Meter“, sang Mirage. „Keine Bewegungen. Sie sind blind, taub und wahrscheinlich betrunken. Sie bumsen ihre Säue. Das wird der klassische Vernichtungsschlag. Fünfhundert Meter … Rura, Baby, du bringst uns Glück. Zweihundertfünfzig Meter.“
Rura zitterte. Ihr war übel. „Warum versuchen sie nicht zu fliehen?“ dachte sie. „Sie müssen uns doch gehört haben. Sie müssen uns gesehen haben. Warum rennen sie nicht weg?“ Ihr war kalt, aber ihre Hände waren vor Schweiß glitschig, und ihr kam es vor, als würde ihr Gewehr eine Tonne wiegen.
Die Feuer und die Zelte befanden sich auf ebenem Grund. Vielleicht hundert Meter dahinter begann ein Pinienwald. Und dahinter stieg öde und dunkel der Berg auf.
„Sie müssen uns gehört haben. Sie müssen uns gesehen haben“, dachte Rura. „Warum rennen sie nicht in den Wald? Ein paar könnten es schaffen.“
Aber es war bereits zu spät.
„Feuer eröffnen“, rief Robin. „Volle Stärke. Ich kreise, und ihr könnt aus allen Winkeln feuern.“
Mirage genoß es. Zwei der Zelte gingen in Flammen auf. Das Frauto hatte das Ufer erreicht und schwebte über dem langsam ansteigenden Grund, kreiste in einem Abstand von fünfzig Metern über dem Grund.
„Was ist los, Alexandra? Warum schießt du nicht?“
„Ich weiß nicht. Ich kann nicht! Ich kann nicht!“ rief Rura verzweifelt. Ihre Hände gehorchten ihr nicht. Sie schwitzte und zitterte. Der Regen fiel, als ob der Himmel weinte.
„Schieß, verdammt noch mal. Das gibt einen Vermerk.“
„Laß sie doch“, sagte Mirage lachend. „Wir brauchen das Kindchen nicht. Ich erledige das allein.“
Jetzt brannten alle Zelte, der Regen verdampfte zischend auf dem entflammten Holz, der Haut und dem Leinen. Kein Schwein flüchtete aus den Zelten.
Robin umkreiste das Lager. Mirage feuerte weiter und lachte dabei. Der Ort wurde zu einem kleinen Inferno. Rura fragte sich dumpf, ob dort Frauen und Kinder gebraten wurden. Als Vernichterin war sie erledigt. Sie wußte es.
Robin landete. „Alexandra“, sagte sie rauh. „Du kommst vor ein Militärgericht. Jetzt mach dich raus und hilf uns, die Asche zu inspizieren.“
Mirage war bereits auf dem nassen und schwelenden Gras, das Gewehr bereit, das Gesicht zu einem wölfischen Grinsen verzerrt, den Regen nicht beachtend, nichts beachtend außer dem Rauch und den sterbenden Flammen.
Rura stieg aus dem Frauto, spürte den schwammigen Grund unter ihren Füßen, roch den schrecklichen Brandgeruch. Es war ein bedrückender Tag, traurig und grau. Es gab nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnte. Sie war eine Versagerin auf der ganzen Linie.
„Tötet mich“, sagte sie ruhig. „Tut es so, daß es so aussieht, als seien es die Schweine gewesen.“
„Zu einfach“, schnappte Robin. „Wir vom Grenzregiment ziehen es vor, bei Frauen wie dir ein Exempel zu statuieren. Jetzt mach dich nützlich, Hure, such nach den Leichen.“
Rura warf ihr Gewehr zu Boden. Mit Erstaunen hörte sie ihre eigene Stimme, die ruhig und kontrolliert war. „Töte mich. Oder ich komme zu dir hin und wickle dieses verdammte Gewehr um deinen Hals.“ Langsam ging sie auf Robin zu.
Mirage schrie plötzlich: „Schweine!“ Sie hob ihr Gewehr und begann, in Richtung des Pinienwaldes zu feuern. Sie feuerte immer noch, nachdem ihr Gesicht weggebrannt worden war, sogar noch, als sie fiel.
Ein Sirren war zu hören. Robin grunzte und schaute verdutzt auf den Pfeil zwischen ihren Brüsten. Sie schwankte ein wenig. Ihr Mund arbeitete, als ob sie etwas sagen wollte. Ein zweiter Pfeil traf sie im Unterleib. Sie fiel nach hinten, bewegte sich für einen oder zwei Momente krampfartig und lag dann still.
Rura stand wie erstarrt. Sie würde den Pfeil willkommen heißen – oder die Flammen. Das war zumindest ein ehrenvoller Tod.
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