Freiwild Mann
Sie stand mit dem Rücken zum Pinienwald, gleichmütig den Schmerz erwartend.
Sie stand unbewegt, starrte auf das Loch hinaus. War es besser, an einem dunklen, nassen Tag zu sterben oder im Sonnenlicht unter blauem Himmel, mit singenden Vögeln im Hintergrund? Sie wußte es nicht. Es war egal. Alles, was zählte, war das nahende Ende.
„Dreh dich rum, Höllenhure“, sagte eine Stimme. Eine Männerstimme. „Was hältst du davon, deine Beine für mich breitzumachen?“
Rura drehte sich herum und schaute das Schwein an. Ein Bart. Sie hatten alle einen Bart. Alle waren ungekämmt. Wilde Tiere. Zerstörer. Aber die, die Zerstörer zerstören, sind selber Zerstörer. Irgendwo mußte Schluß sein.
„Ich will sterben“, sagte sie.
Er lachte. „Das willst du, he? Und ich will dich lebend – zur Belustigung, Belehrung und Belohnung meiner Kameraden.“
Einige Schweine waren jetzt aus dem Pinienwald gekommen. Einige waren mit Bogen bewaffnet, andere mit Armbrüsten, zwei mit Lasergewehren. Sie standen im Halbkreis um sie herum. Bärtig, ungepflegt. War es für sie gewesen, daß sie nicht geschossen hatte?
Nein! Es war für eine Frau und einen Jungen gewesen, daß sie nicht geschossen hatte.
„Zieht sie aus“, sagte einer. „Laßt sie das nasse Gras unter den Arschbacken spüren.“
„Wie lange wird sie es machen?“ sagte ein anderer. „Ich nehme Wetten an.“
Rura schaute auf das Gewehr, das sie fallen gelassen hatte. „Wenn ich jetzt aufs Ganze gehe“, dachte sie, „dann bringen sie mich um. Das ist ein Schlußpunkt. Kein guter Schlußpunkt. Keine gute Zeit für einen Schlußpunkt.“ Aber diese Dinge konnte sie sich nicht aussuchen.
Sie hechtete sich auf das Gewehr. Aber sie erreichte es nicht. Jemand trat ihr in die Seite. Jemand riß ihr die Kleider vom Leib. Und dann sah sie für einige Zeit Gesichter über sich. Verschiedene Gesichter, aber immer dasselbe. Manchmal war der Schmerz zwischen ihren Beinen schrecklich, manchmal war er nur seltsam, sogar erträglich. Sie hörte sich selbst grunzen und stöhnen. Sie fühlte den Regen auf ihrem Gesicht, und dafür war sie dankbar. Sie fühlte Hände an ihren Brüsten, Zähne an ihrem Nacken. Und auch dort war der Schmerz manchmal erträglich und manchmal nicht. Sie fühlte Lippen auf ihren Lippen und kämpfte. Eine Zeitlang. Dann war kein Kampf mehr in ihr. Nur dumpfe Ergebenheit.
Die wechselnden Gesichter verloren sich gnadenvoll in einem Nebel. Und dann war alles egal. Und alles war dunkel.
12
Der Alptraum der Schande und Erniedrigung ging weiter. In der Dunkelheit hörte Rura ein Rufen, weit, sehr weit weg. Nein, kein Rufen. Stöhnen, Grunzen – wie ein Tier. Sie spürte einen stechenden Schmerz und öffnete die Augen. Jemand schlug ihr ins Gesicht. Und sie selbst grunzte und stöhnte. Wie ein Tier. Rura Alexandra mit dem silbernen Nippel, Fähnrich der dritten Kompanie des Grenzregiments. Rura Alexandra machte seltsame, unmenschliche Geräusche.
Sie spürte den Regen. Das Schlagen hatte aufgehört. Sie spürte den Regen in ihrem Gesicht – den göttlichen Regen. Sie spürte den Regen auf ihren entblößten Brüsten, auf ihrem Bauch, auf ihren Beinen. Ihr war kalt, doch das machte nichts aus. Es regnete nicht stark genug. Niemals würde genug Regen fallen, um das wegzuwaschen, was geschehen war.
„Wach auf, Höllenhure“, sagte eine Stimme. „Sag uns, wie sehr du es gemocht hast.“
Sie versuchte, etwas Vernünftiges zu sagen, aber sie konnte nicht. Ihr Mund war von innen verklebt, ein seltsamer Geschmack war darin. Sie hustete und schluckte und hustete noch einmal. Blut. Sie mußte ihre Lippen durchgebissen haben. Jemand hatte ihre Lippen durchgebissen.
„Tötet mich“, brachte sie heraus. „Tötet mich“, rief sie ihren Peinigern unter Anstrengung zu.
Gelächter.
„Tötet mich“, äffte die Stimme unbarmherzig nach. „Ich bin vergewaltigt worden, vergewaltigt von wilden Hochlandschweinen, und ich will meinen Wurf nicht gebären. Tötet mich, weil es mir gefallen hat – weil ich die Augen verdreht und meine Zunge heraushängen lassen habe. Und ich könnte es gerade noch einmal vertragen.“
Noch Gelächter.
Eine andere Stimme. „Steh auf, Höllenhure, oder du hast ein Freispiel gewonnen. Zieh deine hübsche kleine Uniform an oder das, was davon übriggeblieben ist. Kannst du das Frauto steuern?“
„Bitte bringt mich um.“ Sie wollte nicht bitten, aber sie bat.
Jemand setzte seinen Fuß auf ihre Brust. In seiner
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