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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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Routinepatrouille. Schau dir doch die zerstörten Frautos an, Frau. Schau dir die Leichen an. Schau dir den Schaden an. Es muß mindestens eine halbe Schwadron gewesen sein. Und sie wußten genau, wohin sie fahren mußten.“
    „Jetzt“, sagte Rura sanft, „ist es vorüber. Wir können es nicht ungeschehen machen, und du darfst dich nicht mit Schuld und Trauer beladen. Wir sind nur zwei, und die Nacht bricht herein. Was sollen wir tun?“
    Diarmid riß sich zusammen. „Wenn du den Mumm dazu hast, dann müssen wir uns die Toten anschauen. Die Waffen, die noch zu gebrauchen sind, müssen wir mitnehmen. Die Kleider, die noch zu gebrauchen sind, müssen wir mitnehmen. Im Hochland gibt es Menschen, die beides dringend benötigen.“
    Rura war entnervt. „Wir haben keine Zeit“, flehte sie. „Es wird bald dunkel. Wir sollten hier wegfahren. Die Grenzer könnten zurückkommen.“
    Diarmid lachte grimmig. „Frau Vernichterin, du kennst dich mit deinen eigenen Kameradinnen nicht aus. Das Grenzregiment kämpft niemals bei Nacht. Niemals. Dunkelheit ist der große Gleichmacher. Im Dunklen ist der Bogen ebensogut wie ein Lasergewehr. Und ein Dolch ist besser als beides.“
    „Ich bin keine Vernichterin!“ fuhr sie ihn an.
    „Dann eben nicht. Dann muß ich dir beibringen, eine zu werden. Ich muß dir beibringen, die Höllenhuren in Schwarz zu vernichten … Nun gut. Du kannst also den Toten nicht ins Auge sehen. Such uns eine Hütte, Rura, und such uns Brennmaterial und Nahrung. Mach ein Feuer, dann können wir uns umarmen und schlafen, wie du es gewünscht hast. Wenn wir Alpträume haben, dann ertränken wir sie in Orgasmen. Ich bezweifle, daß wir sie in Whisky ertränken könnten. In ganz Schottland gibt es nicht genug Whisky, um dieses Tagewerk wegzuwaschen. Ich kümmere mich um die Toten.“
    „Haßt du mich?“ fragte Rura.
    „Ich hasse mich selbst. Und du bist Teil meiner selbst geworden. Ist das eine Antwort?“
    „Es ist die Antwort, die ich annehmen muß.“
    Rura fand eine Hütte, die relativ unberührt war. Sie sammelte Holz und machte ein Feuer. Sie fand Dörrfleisch und sogar ein wenig ranzige Butter und altes Brot. Und in einer halbverbrannten Hütte fand sie sogar noch etwas Whisky, eine kleine Flasche. Sie tat ihr Bestes.
    Als Diarmid von seinen grimmen Erledigungen zurückkehrte, erwarteten ihn Wärme und warmes Essen. Er schlang die Nahrung herunter, als habe er seit Tagen nichts mehr gegessen.
    „Ich bin ein alter Mann“, sagte er und betrachtete sie im Licht des Kaminfeuers. „Ich bin siebenunddreißig und vielleicht einer der ältesten Männer Schottlands.“
    „Ich liebe dich“, sagte Rura.
    „Dann bist auch du eine Närrin. Die Uhr tickt laut. Es ist unwahrscheinlich, daß wir noch einen Sommer erleben.“
    „Ein Grund mehr, diesen hier zu genießen“, sagte sie einfach. „Ein Sommer ist mehr als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben haben.“
     

22
     
    In der Nacht fing es an zu regnen. Diarmid konnte trotz seiner Trauer und seiner unverheilten Wunden über lange Perioden hinweg schlafen. Rura war müde, aber sie konnte nicht schlafen. Sie konnte nicht schlafen, weil die Ereignisse der letzten Tage ihre gesamte Lebensphilosophie auf den Kopf gestellt hatten, eine Fremde aus ihr gemacht hatten. Es war doch sicherlich nicht Rura Alexandra, die sich mit Freuden der Liebe eines Mannes hingegeben hatte, während Dampf und Rauch von den Toten daneben aufstieg, während Fliegen über die leeren Augen der Grenzerinnen gekrochen waren, während unsichtbar in der trauererfüllten Sommerluft Verrat gehangen hatte?
    Nein, es war nicht Rura Alexandra. Es war etwas Fremdes, eine dämonische Kreatur, die Besitz von ihr ergriffen hatte. Aber konnte man in diesem Zeitalter der Vernunft noch an dämonische Besessenheit glauben? Bitte, die wirkliche Rura Alexandra möge doch herauskommen und sich zu erkennen geben.
    Vielleicht gab es gar keine wirkliche Rura Alexandra. Vielleicht war sie nur ein Tier mit schmerzenden Brüsten und dem Willen zum Überleben um jeden Preis.
    Sie schaute in das schlafende Gesicht Diarmids. Ein rauhes, verwittertes Gesicht, beinahe brutal. Langes Haar, schlecht gestutzter Bart. Eine stark mit Falten versehene Stirn. Das Gesicht eines alten Mannes, das über dem Gesicht eines Kindes lag? Nein. Nur das Gesicht eines alten Kindes.
    Noch immer hätte sie ihn töten und in Ehren zurückkehren können. Keine könnte Zeugnis gegen sie ablegen. Sie könnte zurückkehren,

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