Freiwild Mann
einer Waldlandschaft befinden, so daß man es von der Luft aus nur schlecht ausmachen und mit dem Frauto schlecht erreichen konnte und damit sie Holz zum Heizen hatten. Es durfte nicht weit von frischem Wasser und vom Meer entfernt sein, damit sie fischen konnten. Es mußte Hirsche in der Nähe geben und Moore, so daß sie Sumpfhühner jagen konnten. Neben all diesen Voraussetzungen mußte es noch kompakt sein und gemütlich, so daß zwei Menschen dort den schottischen Winter überstehen konnten, ohne zu erfrieren oder verrückt zu werden.
Kurz, es mußte ein Musterbild von Haus sein.
Überraschenderweise fanden sie es. Sie fanden es, nachdem sie beinahe die gesamte Seeseite des nordwestlichen Hochlandes abgesucht hatten. Die Suche ermüdete Rura und härtete sie ab und zeigte ihr so in etwa, was für ein Leben Diarmid seit seiner Geburt geführt hatte. Nachts schliefen sie in zerrissenen Schlafsäcken unter einem reichlich geflickten Zelt, das weder Wind noch Wetter abhielt. Sie lebten nicht mehr nach der Uhrzeit, sie lebten nach der Sonne und den Sternen. Wenn die Sonne unterging, dann war es an der Zeit, schlafen zu gehen. Wenn der Tag anbrach, dann war es an der Zeit aufzustehen. Diarmid hatte sich angewöhnt, bei Tagesanbruch jagen zu gehen. Er verließ dann das Zelt mit Armbrust und Bolzen und ließ Rura mit vor Unbequemlichkeit schmerzenden Knochen und betäubt vom Schlaf zurück. Manchmal brachte er einen Hasen oder ein Sumpfhuhn mit zurück. Einmal war er zurückgekehrt und hatte sich einen jungen Rothirsch um die Schultern gebunden gehabt. Er brachte Rura bei, die Vögel zu rupfen und zu säubern, Fisch und Wild auszunehmen. Zuerst hatte sie die Arbeit als abstoßend empfunden. Später war sie ihr ganz natürlich vorgekommen. Einmal, als sie sich beim Ausnehmen von Forellen ziemlich beschmutzte, hatte Diarmid sie genommen, und sie hatten sich geliebt. In ihrer Hand waren noch die Innereien eines Fischs, auf dem Gras war Tau, und sie fühlte sich hungrig und deprimiert, außerdem war ihr kalt. Aber Diarmid lag zwischen ihren Beinen, und sie hörte das Glucksen des Flusses und betrachtete über seine Schultern hinweg die Wolkenmuster. Und der Moment gefror, und die Erfahrung war für immer in die Kristalle ihrer Erinnerung eingegraben.
Und eines Tages fanden sie das Haus. Es war ein wunderschönes Haus, ein einzigartiges Haus. Niemand hatte es ausgeplündert.
Es mußte hundert Jahre überdauert haben, nur von Staub und Schimmel berührt. Zwei Skelette waren darin. Eines lag im Bett, den zerfallenen Kleidern nach zu urteilen eine Frau. Eines war das eines Mannes, am Tisch zusammengebrochen. Auf dem Tisch lag eine antike Handfeuerwaffe, verrostet und unbrauchbar, in deren Kammern durch die Zeit vier unbenutzte Patronen überdauert hatten. Ratten waren auch zugegen. Ratten, Spinnen und Käfer.
Das Haus lag nahe dem verlassenen Fischerdorf Applecross. Es stand in einer kleinen Lichtung in einem kleinen Wald. Nicht weit entfernt gab es einen Fluß. Nicht weit entfernt war das Meer, und nicht weit über dem Meer lag die Insel Skye.
Das Haus war rauh, gedrungen und stabil. Graue Steinmauern und graues Schieferdach. Die Fenster waren klein; aber einige waren immer noch mit dem ursprünglichen Glas versehen. Die Tür war verschlossen und verriegelt. Diarmid mußte einen Weg hineinbrechen. Im Halbdunkel war ein Rascheln zu hören. Rura wich verängstigt zurück.
Diarmid grinste. „Im Frauto sind Kerzen und Lampen“, sagte er. „Wir machen hier drinnen Licht. Und ich mache ein Feuer und vertreibe die Tiere. Es gibt nichts, vor dem du dich zu fürchten hättest, Liebling. Die einzigen Dinge, vor denen wir uns im Hochland fürchten müssen, sind das Wetter und schwarzgekleidete Frauen.“
Schließlich, als die dunklen Ecken von Lampen erleuchtet waren, als ein Holzfeuer die Feuchtigkeit der Jahrzehnte vertrieben hatte, machte das Haus einen beinahe freundlichen Eindruck, bis auf die beiden traurigen Skelette im Schlafzimmer.
„Ich frage mich, was für Menschen das gewesen sind“, sagte Rura. Über ihren ersten Schrecken war sie hinweggekommen. Trockene Knochen war weniger schrecklich und weniger wirklich als kürzlich Verstorbene.
Diarmid betrachtete sie genau. „Verzweifelte Menschen in einer verzweifelten Welt. Vielleicht finden wir ihre Namen heraus. Obwohl es weder ihnen noch uns etwas bringt. So wie es aussieht, hat er zuerst sie erschossen und dann sich selbst. Vielleicht waren sie krank, vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher