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Freiwild Mann

Freiwild Mann

Titel: Freiwild Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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der zerstörerischen Engel war. Es war eine magische Zeit, die wenigen Stunden, die alles sind, was Liebende jemals erhoffen können.
    Auf angespitzte Stöcke aufgespießt, wurden die Forellen geduldig über dem Feuer gebraten. Messer, Gabel und Teller wären unpassend gewesen. Die Fische wurden auf Blätter gelegt und feinstens von Fingern zerlegt. Sie mundeten, wie Fisch noch niemals gemundet hatte. Sie schmeckten wie entwendete Zeit.
    Hinterher schwammen Rura und Diarmid im Loch. Hinterher liebten sie sich. Es war eine Bestätigung. Und dann lagen sie nebeneinander, erschöpft, und starrten in den Himmel, auf die Berge, entdeckten die Moos- und Farnspuren auf den Steinen der Klosterruine, horchten auf den verwebten Klang von Fliegen, Bienen und ihrem eigenen Herzschlag, wußten, daß jeder Augenblick im Bernstein der Zeit eingeschlossen werden würde.
    Langsam ging die Sonne hinter den Bergen unter. Diarmid seufzte und stand auf. „Rura Alexandra, ich habe dich akzeptiert. Akzeptierst du mich genauso?“
    „Die Antwort muß dir klar sein.“
    „Ich glaube, die Antwort ist mir klar. Aber morgen oder übermorgen muß ich vielleicht wieder töten. Ich muß vielleicht die töten, die deine Schwestern waren, vielleicht sogar deine Liebhaberinnen. Kannst du das akzeptieren? Das wird niemals enden, bis Männer wieder zu ihren Rechten kommen oder bis der letzte vom Antlitz der Erde verbannt ist.“
    Für eine Weile schwieg Rura. Dann sagte sie: „Ich habe meine Freundinnen verraten. Meine Art kann ich nicht verraten. Ist das eine Antwort?“
    Er küßte sie. „Es ist eine gute Antwort … Ich glaube kaum, daß wir beide an Altersschwäche sterben, Rura. Erinnern wir uns also und bewahren uns das, was zwischen uns vorgefallen ist … Aber ach, es ist Zeit, nach Mull zurückzukehren. Ich muß an meine Pflicht denken.“
    Rura kämpfte die Tränen zurück. „Meine muß ich erst noch herausfinden.“
    Als sie in das Frauto stiegen, wurde der Zauber des Nachmittags abrupt abgeschnitten. Das Frauto enthielt eine Ansammlung von Waffen. Außerdem enthielt es eine Ansammlung von Erinnerungen, bitter, erschreckend. Und trotz der Klimaanlage war irgendwie auch noch der Geruch verbrannten Fleisches darin enthalten. Vor ihrem geistigen Auge konnte Rura nicht mehr länger Moos, alte Steine und silbrige Forellen sehen. Sie konnte nur noch menschliche Leichen sehen, Männer und Frauen, die, im Tod obszön, durch Haß verbrannt waren.
    Diarmid spürte ihre Stimmung und sprach nur, wenn es nötig war. Die Motoren des Frautos sprangen brummend an. Blaß und mechanisch bediente Rura gekonnt die Kontrollen. Das Fahrzeug erhob sich ruhig, entfernte sich von der verzauberten Insel und schnitt eine bewegte Kurve in die stillen Wasser des Lochs.
    Diarmid übernahm die Rolle des Navigators. Er brauchte keine Karte. Er kannte die Hügel und Schluchten Schottlands, so wie ein Mann instinktiv die Gegebenheiten des Landes kennt, in dem er geboren und aufgewachsen ist. Er geleitete Rura durch Glen Lyon über das Moor von Rannoch – unwirtlich auch im Sommer – und entlang der uralten Straße durch Glen Coe, die jetzt fast gänzlich von Gras, Farnen und kleinen Wildblumen überwuchert war, dem Meer entgegen.
    In Glen Coe durchbrach Rura ihr bedrücktes Schweigen. „An den Namen erinnere ich mich“, sagte sie. „Irgend etwas Grausames in der Geschichte Schottlands. Weißt du darüber Bescheid?“
    Diarmid lächelte kaum merklich. „Die Schlucht der Tränen. Vor langer Zeit nannte man sie die Schlucht der Tränen … Es war die Heimat der Macdonald-Sippe. Glen Lyon, durch das wir gerade gefahren sind, war, glaube ich, die Heimat der Campbells. Ich glaube, vor sechs Jahrhunderten ist es geschehen. Die Campbells kamen als Freunde nach Glen Coe, aber sie kamen mit den englischen Gewehren hinter sich. Sie baten um die Gastfreundschaft der Hochländer und bekamen sie auch. Nach zwei Wochen dann, früh an einem Wintermorgen, fingen sie an, die Macdonalds in Hackfleisch zu verwandeln. Einige Macdonalds sind in die Berge geflüchtet. Aber ein Schneesturm kam, und die meisten sind gestorben.“
    Rura erschauderte. „Die Schlucht der Tränen. Für so ein ödes Tal ein guter Name. Hat die Geschichte ein Happy- End?“
    Diarmid berührte leicht ihre Brust, küßte sie. „Rura, mein Liebling, Geschichten mit Happy-End sind Kinderkram … Nein, es gab kein Happy-End – genauso wenig wie unsere Geschichte ein Happy-End haben kann.“
    Sie schaute ihn an,

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