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Freiwild

Freiwild

Titel: Freiwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Belle
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den anderen setzen. Dabei juckte es mir in den Fingern, die schmalen Gassen und Höfe auf der Suche nach Motiven zu durchstreifen. Nachdem ich einige Fotos des Dorfplatzes geschossen hatte, nahm ich enttäuscht wieder im Jeep Platz. In der gepanzerten Fahrerkabine war ich ja wohl sicher. Die stundenlange Fahrt hätte ich mir auch sparen können. Trotzig die Arme vor der Brust verschränkt, machte ich es mir auf meinem Sitz gemütlich und wartete darauf, dass es wieder zurück ins Camp ging. Aber die Verhandlungen schienen sich ewig hinzuziehen. Den Soldaten schien die Warterei nichts auszumachen; felsenfest standen sie immer noch dort, wo sie vor Stunden postiert worden waren. Wachsam beobachteten sie jede Bewegung auf dem Platz.
    Private First Class Jason klopfte an das Fenster, an das ich mich gelehnt hatte. Er war ein hochgewachsener, durchtrainierter Soldat aus Oklahoma, mit dem ich mich auf der Hinfahrt schon ein wenig unterhalten hatte. Ich kurbelte die Scheibe herunter und Jason beugte sich i den Wagen. Er schob seinen Helm ein wenig in den Nacken, damit er besser in das Wageninnere sehen konnte. Seine kurz geschorenen, dunkelblonden, vom Regen nass gewordenen Haare standen wie die Stacheln eines Igels von seinem Kopf ab: „Ja?“. „Wir können leider erst morgen zurückfahren. Der Regen hat Erdrutsche ausgelöst. Nun müssen erst die Kampfmittelbeseitiger den Weg kontrollieren.“ Die Straßen waren zwar alle von Minen geräumt worden, aber an den Seiten daneben lagen noch einige. Es konnte noch Jahre dauern, bis alle versteckten und vergrabenen Tretminen beseitigt worden waren. Wenn es einen Erdrutsch gegeben hatte, konnte es passieren, dass eine Tretmine zurück auf die Straße gespült wurde. Viel zu gefährlich, um ohne eine Kontrolle darüber zu fahren, auch wenn unsere Fahrzeuge alle gepanzert waren. Es hieß also über Nacht zu warten.
    Ich sah mich in dem Jeep, einem deutschen Mercedes, um. Nichts an der vorhandenen Ausrüstung deutete darauf hin, dass eine Übernachtung auf dem Programm gestanden hatte oder auch nur die Eventualität bestanden hätte. „Und jetzt?“, fragte ich Jason. „Wir bleiben alle in den Fahrzeugen, bis der Räumdienst dagewesen ist“. Oh. Es gab an Bord nicht viel, was die Situation erträglicher hätte machen können. Kein Proviant, keine Decken, nichts. Ich war mitten in der Einöde unter lauter Männern, die gelernt hatten in der Wildnis zu überleben. Dann hatten sie nicht einmal Ausrüstung dabei? Es sah nach einer sehr ungemütlichen Nacht aus.
    Schließlich war der Sergeant Major mit seinen Verhandlungen fertig und alle Soldaten bestiegen die Fahrzeuge, die in einer Art Wagenburg in der Mitte des Platzes aufgestellt wurden. Neben mir nahm, wie auch schon auf der Fahrt hierher, Private First Class Jason Platz.
    In jedem Fahrzeug wurde eine Wache organisiert. In meinem Jeep war es der Beifahrer, der pflichtbewusst und gewissenhaft vor dem Wagen stand. Nur ein dünnes, tarnfarbenes Cape schützte ihn etwas vor dem Regen, der in Sturmböen fast waagrecht herunter zu kommen schien. Die Waffe im Anschlag, die Kapuze tief in die Stirn gezogen, stand er da und trotzte dem Wetter. Der Regen trommelte unablässig gegen die Scheiben. Dank der Standheizung war es angenehm im Wagen und ich kam mir vor wie in einer anderen Welt. Draußen war es kalt und nass, hier drinnen gemütlich und warm.
    Mittlerweile war es tiefschwarze Nacht und mir fielen die Augen langsam zu. Mit einem Nickerchen würde die Zeit bis zur Abfahrt schneller vorbeigehen. Mein Kopf sank langsam zur Seite, bis er schließlich auf der Schulter von Jason zu liegen kam. Er rührte sich nicht. Auch er hatte die Augen geschlossen und schien zu dösen. Die Schulterklappe seiner Uniform drückte sich in meine Backe und unwillig rutschte ich im Halbschlaf umher, bis Jason seinen Arm unter mir wegzog und um meine Schultern legte, damit ich mich an seine Brust kuscheln konnte.

    Der Fahrer schlief tief und fest und ich wachte von seinem Schnarchen auf. Es war immer noch stockfinster, nur der Regen schien aufgehört zu haben. Mit einem Grunzen drehte sich der Fahrer um und seine Schlafgeräusche hörten auf. Es war totenstill im Wagen. Beängstigend. Nicht einmal die Wache vor dem Auto konnte ich erkennen. Das Dorf hatte weder Straßenbeleuchtungen, noch war in einem der Fenster Licht zu sehen. Nur die Digitaluhr im Armaturenbrett spendete ein mehr als dürftiges Lichtlein. Es reichte gerade mal bis zum Lenkrad, ließ

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