Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freiwillig Fräulein: Roman (German Edition)

Freiwillig Fräulein: Roman (German Edition)

Titel: Freiwillig Fräulein: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jamie Lynn Braziel
Vom Netzwerk:
Trauungszeremonien nicht gerne vornahm, und normalerweise beschränkte er sich dann auf eine Viertelstunde. Er hatte es mit so vielen verrückten Bräuten zu tun gehabt, dass er genau wusste, welch schlimme Folgen ein Versprecher oder ein Stottern des Pfarrers haben konnte. Trotzdem hatte Anne ihn ausdrücklich darum gebeten, eine besonders lange Zeremonie abzuhalten. »Schließlich trage ich dieses Kleid nur einmal«, hatte sie gesagt. Mit Geschick und Einfallsreichtum gelang es ihm, das Ganze auf eine Stunde auszudehnen, doch es schien kaum eine Sekunde vergangen zu sein, bis das glückliche Paar zu Mann und Frau erklärt wurde und wir den Rückweg durch den Mittelgang antraten.
    Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als nach Hause zu gehen und mich ins Bett zu verkriechen, doch als Trauzeugin konnte ich die Braut natürlich nicht im Stich lassen. Sobald alle Gäste zum Empfang gescheucht worden waren, wurden die üblichen Gruppenfotos vom Brautpaar, den Trauzeugen und der Familie gemacht, und das in allen erdenklichen Kombinationen. Schließlich schafften wir es zum Festsaal, wo Kuchen und Bowle auf uns warteten. Kathy Fortner kam am Eingang des Saals auf mich zu.
    »Schatz, du siehst hinreißend aus«, rief sie überschwänglich und nahm mich kurz in den Arm. Ich hatte Kathy kennengelernt, als ich auf der Suche nach jemandem war, der mir in meinem Buchladen helfen konnte. Sie war eine quirlige, rundliche Blondine Anfang vierzig und nichts schien ihr jemals die Laune zu verderben.
    Als sie damals zur Tür hereinkam, wusste ich gleich, dass sie bald eine meiner besten Freundinnen sein würde, und so war es auch gekommen.
    »Danke. Wenigstens bin ich nicht gestolpert.« Ich war nicht gerade für meine Anmut bekannt.
    »Es war perfekt. Als du Steve zum ersten Mal gesehen hast, warst du ein bisschen grün im Gesicht, aber bestimmt ist es außer mir niemandem aufgefallen.«
    Bei der Erinnerung an diesen Moment verzog ich das Gesicht. Kathy wusste genau, was zwischen mir und Steve vorgefallen war. Sie war ihm ein paarmal bei Familienfesten begegnet und hatte ihn nie gemocht. Irgendetwas an Steve ging ihr gegen den Strich. Sie konnte es nicht erklären, und wenn man sie danach fragte, antwortete sie nur: »Es ist einfach so ein Gefühl.«
    »Ich wünschte, der Boden würde sich auftun und ihn verschlingen«, seufzte ich. Sie kicherte und wollte gerade etwas hinzusetzen, als wir plötzlich von einem Schwarm von Leuten umringt waren, die sich unbedingt mit mir darüber unterhalten wollten, wie schön der Gottesdienst war, wie schön die Blumen waren, wie schön die Braut war, dass der Bräutigam sich glücklich schätzen konnte und wann ich heiraten würde?
    Das war unweigerlich die erste Frage, die meine Anverwandten mir stellten, wann immer sie mich sahen. Ich war der Anlass endloser Diskussionen in der Familie, denn ich war dreißig Jahre alt und noch immer nicht verheiratet. Sie sagten es zwar nicht, aber allmählich schienen sie zu denken, dass irgendetwas mit mir nicht stimmte. Dieses ewige Gezeter wegen meines Singledaseins hatte an dem Tag begonnen, als ich sechzehn wurde und man mich allgemein für alt genug hielt, mit Jungen auszugehen. »Wann suchst du dir endlich einen Freund?«, war die Frage, mit der mir meineVerwandten ständig in den Ohren lagen, allen voran mein Onkel Richard. Seine Nachfragen waren im Laufe der Zeit immer schlimmer geworden und er war nicht der Einzige, der die Finger nicht von diesem Thema lassen konnte. Meine Eltern belegten die Plätze zwei und drei auf der Liste der lästigsten Fragensteller.
    Tante May hatte mich wieder einmal in eine spannende Unterhaltung über das Heiraten im Allgemeinen und meine Heiratsabsichten im Besonderen verwickelt, als mir jemand einen derartigen Schlag auf den Rücken versetzte, dass mir fast die Luft wegblieb. Kathy hatte sich bereits davongestohlen und war unterwegs zur Bowleschale.
    »Na«, setzte Onkel Richard an, »sieht ja ganz so aus, als hätte es dein jüngerer Bruder als Erster zum Traualtar geschafft.« Auf Onkel Richard war Verlass. Niemand konnte auf so unausstehliche Art und Weise etwas in Worte fassen, das wir eh schon alle wussten. »Und du bist auch nicht mehr die Jüngste, Fräuleinchen.« Jawohl, er sagte tatsächlich »Fräuleinchen«, dieser Neandertaler! »Wann schnappst du dir denn endlich einen Ehemann – oder bist du vom anderen Ufer?«
    »Bitte entschuldigt mich einen Moment«, sagte ich und wandte mich ohne ein weiteres Wort

Weitere Kostenlose Bücher