Freiwillig Fräulein: Roman (German Edition)
ab. Ich kochte innerlich vor Wut und war bereit, jedem weiteren Familienmitglied den Hals umzudrehen, das mich auf meine nicht existierende Beziehung ansprach. Als ich mich umdrehte, hätte ich Kathy beinahe über den Haufen gerannt. Sie wollte mir ein Glas Bowle bringen und hatte die letzte Bemerkung des lieben Onkels Richard mitbekommen. Ein Blick in mein Gesicht reichte. »Komm, wir verschwinden aufs Damenklo«, murmelte sie und reichte mir das Glas. Ich stolzierte in Richtung Damentoilette davon, dicht gefolgt von Kathy, und hoffte inständig, dass sich jemand erbarmt und die Bowle mit Alkohol versetzt hatte.
»Ich habe die Nase voll von ihnen!«, tobte ich, während ich vor den Kabinentüren auf und ab marschierte. »Sie geben einfach keine Ruhe. Seit vierzehn Jahren mache ich das jetzt mit, und ich habe sie allesamt satt. Es ist schon so weit gekommen, dass ichFeiertage mit der Familie hasse! Es ist immer dasselbe: ›Warum hast du keinen Freund? Wann heiratest du endlich? Werden wir jemals Enkelkinder bekommen?‹« Ich war kurz davor, mir vor lauter Frust die Haare zu raufen, doch ich konnte nicht riskieren, dass die zahllosen Haarnadeln herausfielen, die meine Locken bändigten.
»Ich bin sicher, dass das alles nur nett gemeint ist – sie wollen, dass du glücklich bist«, sagte Kathy. »Sie möchten einfach nicht, dass du einsam bist.«
»Ich bin nicht einsam, ich komme noch nicht einmal auf den Gedanken, einsam zu sein oder mich einsam zu fühlen! Das passiert erst, wenn ich eine halbe Stunde mit ihnen verbracht habe. Und dann bin ich so wütend, dass ich unsere Familienfotos am liebsten mit Dartpfeilen durchbohren würde.« Ich trank einen großen Schluck Bowle. Verdammte Abstinenzler! Natürlich war kein Alkohol drin und eigentlich hatte ich auch nicht damit gerechnet.
Sie klopfte mir mitfühlend auf den Rücken. »Du weißt, dass sie sich nicht ändern werden. Versuch sie einfach zu ignorieren, wenigstens für eine Stunde oder so.«
Ich lehnte mich gegen den Waschtisch und verschränkte die Arme. »Du hast keine Ahnung, wie schwer das ist. Wenn es nur Onkel Richard wäre ... Aber es ist ja nicht nur er – es ist die ganze Familie, und sie wissen einfach nicht, wann sie den Mund halten sollen.« Ich holte tief Luft. »Aber ich versuch’s, Anne zuliebe.«
Ich hätte in der Damentoilette bleiben sollen. Es war Zeit für das Brautstraußwerfen. So schnell ihr Rock es zuließ, rannte meine Mutter quer durch den Saal auf mich zu. »Emma, es ist Zeit, den Brautstrauß zu fangen. Versteck dich bloß nicht hinter den anderen wie beim letzten Mal. Ich will, dass du ganz vorn stehst. Gib dir diesmal ein bisschen Mühe!« Dad kam angeschlendert und stand grinsend hinter Mutter.
Was hat dieses Brautstraußwerfen bei Hochzeiten nur an sich, dass es Frauen zu Tieren werden lässt? Glauben sie wirklich, dass eine Art Zauber damit verbunden ist, wenn man den Strauß fängt? Und dieser Zauber einen Mann dazu bringt, sich in sie zu verliebenund ihnen einen Antrag zu machen, damit sie die Nächsten sind, die heiraten?
Ich stemmte die Hände in die Hüften. Meine Mutter und ich starrten einander mit finsterer Miene an. »Warum fängst du ihn nicht für mich, wenn dir das so wichtig ist?«, fragte ich sie.
»Werd nicht frech zu deiner Mutter, Emma«, mischte Dad sich ein und wackelte drohend mit dem Finger. »Du bist noch nicht so alt, dass ich dich nicht mehr übers Knie legen könnte.«
Egal wie sehr ich mich bemühte, ihr zu entwischen: Mutter stand immer wieder genau hinter mir und schob mich in die vorderste Reihe der Gruppe, die sich in der Mitte des Saals zusammengefunden hatte. Ihre drohende Miene ließ keinen Zweifel daran, dass sie es mir heimzahlen würde, wenn ich diesen Strauß nicht fing.
Anne drehte sich um und zählte bis drei. Der Brautstrauß beschrieb einen anmutigen Bogen und sauste geradewegs auf mich zu. Es gelang mir, hochzuspringen und ihn zu schnappen und gleichzeitig dem panischen Ansturm auszuweichen. Einige andere Frauen hatten nicht soviel Glück und mussten aus einem wirren Knäuel aus Armen, Beinen und Taftstoff hervorgezogen werden. Ich drehte mich zu Anne um und formte mit den Lippen ein stummes »Danke!«. Sie lächelte nur und nickte.
Am Spielfeldrand hatte meine Mutter einen hysterischen Anfall. »Sie hat ihn! Sie hat ihn!«, schrie sie immer wieder und hüpfte dabei auf und ab. Ich erhaschte einen Blick auf Kathy, die ihr Lachen hinter einer Topfpflanze zu verbergen
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