Fremd fischen
sind. Wie viele Nächte wir noch zusammen haben. Wie oft wir noch miteinander schlafen können.
Mein Magen knurrt. Vielleicht ist es auch seiner. Ich kann es nicht sagen, weil ich dicht an ihn geschmiegt bin.«Hast du Hunger? Wir können etwas kommen lassen», sage ich und drücke ihm einen Kuss auf die Brust.«Oder ich mache uns was.»
Ich stelle mir vor, wie ich eine schmackhafte Kleinigkeit herbeizaubere. Ich kann überhaupt nicht kochen, aber ich könnte es lernen. Ich würde eine ausgezeichnete, fürsorgliche Ehefrau abgeben.
Er sagt, er will die Zeit nicht mit Essen verschwenden. Er kann sich auf dem Heimweg etwas holen. Oder einfach hungrig ins Bett gehen. Er sagt, er will mich bei sich fühlen, bis er gehen muss.
Am nächsten Tag frage ich Dex, ob es irgendwelche Probleme gegeben hat, als er nach Hause kam. Es ist eine unbestimmte Frage, aber er weiß, was ich wissen
will. Darcy war nicht zu Hause, als er kam, sagt er, und so hatte er Zeit, um zu duschen und mich widerwillig von sich abzuwaschen. Darcy hat ihm eine Nachricht hinterlassen:«Es ist elf Uhr, und du gehst weder an dein Handy noch an dein Telefon im Büro. Wahrscheinlich hast du ein Verhältnis. Ich gehe mit Claire aus.»
Das ist die augenzwinkernde Beschuldigung, mit der sie immer kommt, wenn Dex lange arbeitet. Dann fragt sie ihn, ob er ein Verhältnis hat, obwohl sie keinen Augenblick lang glaubt, dass so etwas möglich sein könnte. Sie wechselt jedes Mal die Person und nimmt irgendeinen x-beliebigen Frauennamen von Goldman Sachs. Je weniger attraktiv die Frau ist, desto mehr amüsiert sie sich.«Ich weiß, dass du in Nina verknallt bist», sagt sie, und sie weiß, dass Nina eine pummelige Schreibkraft aus Staten Island ist, die sich die falschen Fingernägel mit Flitter verziert.
Ich male mir aus, wie Dex gestern Abend nach Hause gekommen ist. Eine ganze Szene entfaltet sich – Dex, wie er sich ins Apartment schleicht, hastig duscht und ins Bett geht. Er wartet darauf, dass der Schlüssel sich im Schloss dreht, und als Darcy hereinkommt, stellt er sich schlafend. Sie beugt sich über ihn und betrachtet ihn im Dunkeln.«Wie war dein Date mit Nina?», fragt sie ironisch und mit lauter Stimme. Er reibt sich die Augen mit den Fäusten, wie sie es im Fernsehen tun, wenn sie aus tiefem Schlaf geweckt werden.«Hi», sagt er müde und tut, als schlafe er wieder ein. Sie kuschelt sich im Bett an ihn und gibt ein«Ich liebe dich»von sich. Er beißt die Zähne zusammen, aber er erwidert die Bekundung. Was bleibt ihm übrig? Beim Einschlafen denkt er an mich. Denkt, dass ihr Kinn zu spitz an seiner Brust liegt.
Ich beobachte sie am Strand, unten am Wasser.
Darcy und Dex stehen nebeneinander in der mäßig warmen Junisonne. Ich sehe sie an diesem Wochenende zum ersten Mal zusammen, seit Dex und ich nüchtern, willentlich und absichtlich miteinander schlafen. Ich trage eine dunkle Sonnenbrille, damit ich sie von meinem Strandlaken aus unauffällig beobachten kann, während Claire unaufhörlich über – worüber wohl? – die Hochzeit plappert. Was ist, wenn es abends kühl wird? Sollen wir uns zwei gleiche Jacken kaufen, aus leichtem, zartem Chiffon vielleicht? Ich nicke mit dem Kopf und brumme, das sei eine gute Idee.
Dex war eben kurz schwimmen, obwohl das Wasser eisig kalt ist. Jetzt stecken sie die Köpfe zusammen und reden miteinander. Vielleicht erstattet er ihr Bericht über die Wassertemperatur. Zögernd tut sie einen Schritt näher zum Wasser, sodass es ihre Füße umspielt. Sie lächeln beide. Dex spritzt ihr mit dem Fuß Wasser ans Schienbein, und sie macht quiekend kehrt und stolpert ein paar Schritte weit weg. Ich sehe das Muskelspiel ihrer langen braunen Beine. Sie trägt den fleischfarbenen Bikini, und ihr offenes Haar weht ihr ins Gesicht. Er lacht, und sie droht ihm mit dem Zeigefinger, als wolle sie schimpfen, und geht wieder auf ihn zu. Sie tollen regelrecht herum. Es tut mir weh, ihnen dabei zuzusehen, aber ich kann nicht anders. Ich kann nicht wegschauen.
Ich habe das Gefühl, sie ziehen eine Show ab. Na ja, Darcy zieht immer eine Show ab. Aber Dex macht freiwillig mit. Sicher weiß er, dass wir alle zusehen. Dass ich zusehe. Das ist immer so, wenn man in einer Gruppe ist, und ein paar Leute gehen schwimmen oder spazieren zum Wasser. Das Meer ist wie eine riesige Bühne. Es ist normal, dass die anderen zusehen, wenn auch
nur einen Moment lang. Dex muss sich dessen bewusst sein, und trotzdem gibt er volle Kanne das
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