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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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als wolle er damit das Messer einfach sanft beiseite stoßen, wie etwas, das einem von einem lästigen Straßenhändler aufgedrängt wird. Er blinzelte, als ihm die Sonne in die Augen schien. Sofort griff Mordana an, schnell und von unten herauf, das Messer gegen Farbers Bauch führend.
    »Mordana!« schrie Liraun.
    Sie hatte ihre Stimme wieder gefunden, war aufgesprungen. Das Blut war ihr aus dem Gesicht gewichen. Sie schwankte.
    Mordana riß das Messer mitten im Stoß zurück, als hätte es an einem zu kurzen Strick gehangen. Er warf einen schnellen Blick zu Liraun, seine Augen blieben an ihr hängen, und er starrte sie eindringlich an.
    Dann richtete er sich widerstrebend auf, das Gesicht verzogen. Er schüttelte sich wie eine Katze und war wieder gefaßt und beherrscht. Das Messer verschwand – Farber konnte nicht ausmachen, wie und wohin. Mordana nickte Liraun höflich zu, spie Farber vor die Füße, wandte sich ab und ging schnell hinaus.
    Farber und Liraun blieben mit sich allein zurück und starrten sich in einer ungeheueren Stille an.
    »Setz dich, bevor du umfällst«, sagte Farber endlich mit weniger Autorität in der Stimme, als er sich gewünscht hätte. Er zitterte und war in kalten Schweiß gebadet; davon war in seiner Stimme etwas zu spüren.
    Liraun ignorierte ihn. Sie stützte sich auf die Rücklehne ihres Stuhls und sah durch Farber hindurch, sah ihn nicht an. Etwas sehr Komplexes geschah in ihrem Gesicht. Es veränderte sich, bekam neue, harte Züge, nahm eine fremde Entschlossenheit und Erwartung an, während Farber zusah. Zuletzt veränderte sich der Blick ihrer Augen, und sie nahm ihn wirklich wahr. Ihr Blick war ruhig und klar, und sie machte ihm damit beinahe Angst. Sie ließ den Stuhl los und stand frei im Raum, wobei sie Farber fest im Auge behielt. »Hör mir zu, Josef«, sagte sie leise. »Ich werde jetzt zu denen dort draußen gehen.«
    »Den Teufel wirst du«, knurrte Farber.
    »Du kannst nicht versuchen, mich hier zu behalten, Josef. Das ist ganz falsch.«
    »Ich will nicht darüber sprechen«, sagte er blind. »Setz dich nur hin. Setz dich und sei ruhig, um Gottes willen.« Er rieb sich den Nasenrücken. »Ich muß nachdenken. O Gott.« Dann müde: »Willst da dich nicht endlich setzen?«
    »Du verstehst nicht …«
    »Nein, verdammt richtig, ich verstehe nicht! Ganz verdammt richtig!« Er war über die Härte seiner Stimme selbst erstaunt. In seiner Aufregung tat er zwei schnelle Schritte auf sie zu, aber dann brach seine innere Anspannung zusammen. Er hielt inne, seine Schultern sanken herab. Liraun sah ihn scharf an. Ihre Augen bohrten sich hart wie Nägel in sein Gesicht, trotz der deutlichen sanften Rundung ihres Bauches. In den letzten Tagen schien die Schwangerschaft ihr eine seltsame, mächtige Unverwundbarkeit verliehen zu haben, etwas Endgültiges und Unwiderstehliches. Er fragte sich angesichts ihres Blickes mit einem unguten Gefühl, ob er sie überhaupt aufhalten konnte. »Zum Teufel«, sagte er. »Schau, wir reden darüber, ja? Aber du gehst nirgendwo hin, verstanden?«
    »Das ist ganz falsch so«, sagte sie flach. »Es wird alle Harmonie zerstören.«
    »Aber daß sie dich wie Abfall wegwerfen werden, das ist ganz in Ordnung, was?« rief er plötzlich. »Dich in eine Kiste zu packen wie Müll, ein Loch in den Hügel zu scharren und Dreck über dich zu werfen, das findest du gut. Das ist alles in Ordnung so.«
    »Was von mir übrigbleibt, wenn ich tot bin, ist auch nicht mehr wert als Abfall«, erwiderte sie gleichmütig. »Das Fleisch wird vorher abgezogen; es wird weiterverwendet: genetisches Material für die Schneider, Düngemittel, andere wichtige Dinge. Die Knochen werden vergraben, mit Respekt, aber ohne jedes Zeremoniell. Dafür besteht keine Notwendigkeit, denn alle heiligen Teile sind ja längst fort, verstehst du?«
    Farber wandte sich von ihr ab. Sein Gesicht verfiel regelrecht, seine Hände zitterten. »Du redest, daß einem übel werden kann«, murmelte er. »Jesus! Ich kann nicht … Du bist verrückt. Warum? Wie kannst du …«
    »Josef!« schrie sie, zum ersten Mal offenen Schmerz in der Stimme. »Ich kann nicht weiter darüber sprechen. Es ist die intimste Sache meines ganzen Lebens. Es ist nur zwischen mir und dem Volk der Macht, und es ist so furchtbar falsch, mit irgend jemandem darüber zu reden, selbst mit dir! Kannst du das nicht verstehen?«
    »Tabu«, bestätigte er düster.
    Das Wort verstand sie nicht. »Josef, ich muß jetzt gehen.« Ihre

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