Fremde
Müde schloß er die Augen. »Sie wird es überstehen. Wenn sie erst einmal das Kind hat und merkt, daß sie nicht sterben muß, daß kein Blitz vom Himmel niederschießt und sie röstet, weil sie nicht ins Gebärhaus ging – das wird hart, sicher, aber sie wird darüber hinwegkommen. Ich werde sie dazu bringen.«
»Es wird nicht klappen«, sagte Ferri tonlos.
»Verdammt noch mal, das soll es aber!« schrie Farber. Er riß seine Augen weit auf. Sie blickten trüb und übelgelaunt wie die einer zuschnappenden Schildkröte. »Ich weigere mich, meine Frau an einen blutrünstigen Heiden-Aberglauben zu verlieren. Verstehst du mich, mein Bester? Und du wirst mir helfen. Ist das klar?«
Ferri wischte sich über das Gesicht – er war fahl geworden. Sehr vorsichtig sagte er: »Das wird eine Menge Ärger verursachen. Du weißt das. Ich glaube, eine solche Situation hat es noch nie gegeben – die Cian sind vom Temperament her dafür nicht geeignet. Gott weiß, wie sie darauf reagieren werden. Mit Sicherheit nicht phlegmatisch, das weiß ich. Wenn du in dieses Wespennest stößt, wird Keane es bald herausfinden.«
»Er weiß es schon«, sagte Farber. »Weißt du, was ich heute morgen getan habe?« fuhr er mit gekünstelt fröhlicher Stimme fort. »Ehe ich herkam? Ich habe Keane angerufen und ihn gefragt, ob ich Liraun ins Co-Op-Krankenhaus bringen könnte. Ich bin auf allen vieren vor ihm gekrochen. Muß ich dir mitteilen, was er sagte? Nein, ich glaube nicht. Leicht zu erraten, eh?« Er zuckte mit bewußter Lässigkeit die Schultern. »Daher wird Liraun ihr Baby zu Hause bekommen müssen. Und du wirst die Hebamme spielen.«
»Das kann ich nicht«, sagte Ferri. Er sah krank aus. »Joe, hör mir zu. Ich kann dir so offen nicht helfen. Du weißt, was Keane gegen dich hat. Wenn ich bei Lirauns Geburt dabei bin, wird er es herausfinden, und dann hat er mich auch auf dem Kieker. Er schickt Leistungsberichte über mich an die Cornell, du weißt das. Hör mir, verdammt noch mal, zu! Ein schlechter Bericht könnte meine Karriere ruinieren, meine Forschungen ebenso entwerten wie alle bisher getane Arbeit. Ich würde meine Stellung verlieren …«
»Wirst du mir helfen oder nicht?« fragte Farber. Seine Stimme war sehr ruhig geworden, und sein Gesicht wirkte leer. Er bewegte sich nicht.
»Christus«, sagte Ferri. Er griff nach dem Drink, der unberührt auf dem Seitentischchen stand, und zog dann die Hand mit einer Grimasse wieder zurück, als hätte die Berührung mit dem kalten, beschlagenen Glas ihm Ekel verursacht. Er legte die Finger auf die Lippen, als wolle er an ihnen saugen. »Sieh mal, Joe«, sagte er, als er wieder lebendig wurde, »soviel werde ich für dich tun: Ich habe hier ein von der Co-Op geliehenes Untersuchungsgerät. Ich werde es einsetzen und dir vorher einen subzerebralen Kursus in Geburtshilfe geben. Das dauert etwa eine Stunde. Wir haben auch ein Programm für Erste Hilfe dabei: ›Grundkenntnisse der Geburtshilfe‹ oder so. Dann kannst du heimgehen und Liraun selbst helfen, und Keane wird nichts erfahren. In Ordnung?« Er zwinkerte Farber zu, als sei er über diese Lösung des Problems erleichtert, doch seine Hände zitterten leicht.
Farber schwieg lange. »Und wenn es Komplikationen gibt?« fragte er schließlich.
»Unwahrscheinlich«, antwortete Ferri. »Neunzig Prozent der Zeit wirst du mit nichts konfrontiert, was du nicht in dem unbewußten Training gelernt hast. Jesus, vergiß nicht, daß die Frauen das seit Tausenden von Jahren selbst gemacht haben.« Auf Farbers unzufriedenen Blick hin sagte er: »Verdammt, was erwartest du denn alles von mir?« Er gab seine Niederlage zu: »Na schön. Du kannst den Diagnostikator von mir ausleihen. Es ist eine Jejun-Arbeit, wunderschöne Sache. Kann man so klein zusammenfalten, daß er in einen Rückenbeutel paßt, wenn er auch sehr schwer ist. Und, um Gottes willen, sei vorsichtig damit – er ist der medizinischen Entwicklung auf der Erde mindestens ein Jahrzehnt voraus und so teuer wie echter Shit. Ich habe nur deshalb einen, weil ich Grundlagenforschung betreibe. Das Ding macht Telemetrie und hat chirurgische Waldos, die selbst für Mikroarbeiten geeignet sind. Ich kann von hieraus alles über einen Monitor überwachen, und falls es ernste Schwierigkeiten gibt, kann ich das Gerät übernehmen und steuern. Aber ich werde nicht persönlich anwesend sein, keinesfalls! Und wenn wir vorsichtig sind und den Mund halten, alter Junge, wird auch Keane nichts davon
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