Fremde Federn
Stunden. Sie hat - wir haben ganz viel Rotwein reingetan. Und, mal sehen, es gibt Forellenmousse als Vorspeise und eine Suppe, die kocht schon seit Ewigkeiten.« Dabei stemmt sie die Hände in die beschürzten Hüften und stieß einen riesigen Seufzer aus, als sei keine Köchin so geplagt wie sie. »Und zum Nachtisch gibt es Pudding -Guinness Pudding.« Sie machte eine Pause, um ihm Gelegenheit zu geben, Überraschung zu zeigen - was er tat. »Der muß über fünf Stunden im Wasserbad kochen. Deshalb riechen Sie alles mögliche.«
»Bei so einem Festmenü habt ihr gewiß Leute zum Abendessen eingeladen. Da komme ich wohl sehr ungelegen«, sagte Jury, dem allmählich etwas unbehaglich zumute wurde.
Aber sie verneinte rasch und bat ihn, Platz zu nehmen. Nachdem sie zu dem Urteil gelangt war, daß er ein sehr dankbares Publikum war, wollte sie jetzt noch mehr Applaus. »Ach, es werden sicher ein paar Leute kommen. Aber ich habe den Tisch noch nicht mit ihrem besten Silber gedeckt. Das erledige nämlich immer ich.« Mit übereinandergeschlagenen Beinen saß sie in dem hohen Ohrensessel, so daß ihre Füße kaum den Boden berührten, und zog sich die Schürze über die Knie. Die Geste hatte sie bestimmt schon bei so mancher jungen Dame gesehen, und sie gab sich alle Mühe, auch eine junge Dame zu sein, adrett und o-ber-dschin-erfahren. Doch als ein Topf in der Küche anfing zu klappern, fiel sie aus der Rolle, sprang auf und sauste los. Und schon war sie wieder da und beklagte sich, daß man auf dem alten Gasherd nicht ordentlich dünsten könne und immer alles überschwappe und daß sie versuche, Lady Kennington davon zu überzeugen, sich einen Umluft-Herd anzuschaffen. Der Aussprache dieses Wortes ließ sie die gleiche Sorgfalt angedeihen wie der Aubergine.
»Hat sie denn oft Gäste?«
»In einem fort. Meine Güte, sie hat so viele Freunde. Dauernd geht sie ins Theater und kennt alle Schauspieler. Sie kennt Daryl Jackbee.« Nach gründlichem Nachdenken kam Jury zu dem Schluß, daß es sich um Derek Jacobi handeln müsse. »Und sie fährt oft nach London. Sie geht gern einkaufen und hat die Schränke voll Kleider.«
Das klang gar nicht nach der Jenny, die Jury kannte. Er lächelte. »Eine vielbeschäftigte Lady.«
»Ist sie auch, wissen Sie. Eine Lady, meine ich. Sie ist adlig.«
Jury sah den schwarzen Kater aus der Küche hereinstolzieren und dachte: Ist das etwa Tom? Der Kater, den sie damals zum Tierarzt gebracht hatten? Aber das war Jahre her. »Ich mag diesen Kater nicht einmal«, hatte Jenny gesagt, als sie mit dem elenden kleinen Bündel bei ihm im Auto saß. Sie hatte das verwilderte Tier gefunden, als es verletzt um das Haus in Stonington herumstreunte, ihre alte Villa in Hertford. Und hier war er und sah immer noch so majestätisch aus wie eben ein Kater mit räudigem Schwanz und angeknabbertem Ohr aussehen kann. Stonington. Jury lächelte ein wenig traurig bei dem Gedanken, wie schnell die Jahre vergangen waren. Irgend etwas, fand er, war vergeudet worden. Er streckte die Hand nach dem kohlschwarzen Kater aus, der auf dem Vorleger saß, die Hand ignorierte und sich zu putzen begann.
Als sie hörten, wie die Haustür aufging, sprang Elsie hoch und lief in den Flur, und Jury kriegte mit, wie sie ein paar Worte mit Jenny wechselte. Dann stand Jenny Ken-nington lächelnd im Zimmer.
Bis zu diesem Augenblick war er unsicher gewesen und sich geradezu dumm vorgekommen, daß er hier so unangemeldet hereingeschneit war. Aber als sie seinen Namen sagte und ihn anlächelte, als sei sein Erscheinen die schönste Überraschung der Welt, kam er sich nicht mehr dumm vor.
»Hallo, Jenny.« Ein kurzer Blick auf das, was sie anhatte, und er mußte auch lächeln. Für eine Frau mit einem Schrank voller Kleider hielt sie wahrhaftig an ihrem Lieblingspullover fest.
Sie bemerkte seinen Gesichtsausdruck, schaute auf den Pullover und sagte: »O Gott! Dasselbe alte Stück. Ich weiß, Sie glauben, ich hätte sonst nichts zum Anziehen.«
Der Pullover war schwarz, mit irgendwelchen Metallfäden durchzogen und viel zu langen Ärmeln, die sie ständig hochschob. Sie hatte ihn getragen, als sie sich kennengelernt hatten. Und die nervöse Geste gehörte auch immer noch dazu. »Elsie behauptet, Sie hätten jede Menge Klamotten und klapperten dauernd die Läden in London ab. Selfridge’s, Liberty’s.«
Elsie war sofort nach Jennys Ankunft in die Küche geflitzt und legte jetzt das Tafelsilber auf.
Jenny flüsterte: »Weil ich
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