Fremde Federn
»Lügner! Lügner!« schrie sie. »Einspruch! Einspruch!« schrie er. Im Saal erschollen Gelächter und leise Hochrufe.
Eustace-Hobson ließ seinen Hammer niedersau-sen. »Madam, nehmen Sie Platz! Dem Einspruch wird stattgegeben, Mr. Trueblood. Sie spekulieren!«
Fröhlich erwiderte Trueblood: »Nicht mehr als der Zeuge, Euer Ehren.«
Mehr Lärm, mehr Gehämmer.
»Ich habe keine Fragen mehr.« Trueblood verbeugte sich.
Brownes Gesicht war fleckig vor Wut. Er war ertappt.
Fein, dachte Melrose, schon ist der Hauptbelastungszeuge weg vom Fenster. Nun blieb nur noch er als Zeuge. Und er war garantiert keine große Hilfe.
Würde Trueblood die Abweisung beantragen?
Nein. Er rief Melrose in den Zeugenstand.
»Lord Ardry«, sagte Marshall Trueblood, damit sich der Titel dem Hirn des Richters auch ja gut einprägte. Dann unterbrach er sich und sagte rasch: »Oh, ich bitte um Verzeihung. Sie ziehen die Anrede Mr. Plant vor, nicht wahr?«
»Sehr wohl, weil es zufällig mein Name ist.«
»Zu dem Zeitpunkt, als der Unfall sich ereignete, waren Sie auf der anderen Seite der Straße?«
»Jawohl.«
Marshall vollführte einen adretten kleinen Diener. »Und wir beide - Sie und ich - diskutierten, soweit ich mich erinnere, recht lebhaft über die Black Shirts, das neuseeländische Rugbyteam.«
Melrose überlegte ein wenig. Ja, ein paar Bemerkungen über das Team waren gefallen, wenn er auch die Diskussion nicht als »lebhaft« bezeichnet hätte. Aber er mußte keine falsche Zeugenaussage machen. »Ja, das ist wahr.«
»Mr. Plant, Sie sind recht solide bewandert in Antiquitäten, trifft das zu?«
Melrose erschrak. Also, nun wurde das doch nicht wieder aufgekocht! »Hm, solide würde ich es nicht nennen. Ich weiß das eine oder andere .« Mehr war es ja wirklich nicht. Hoffentlich war sein Ausdruck entsprechend bescheiden.
»Nehmen wir zum Beispiel einen . einen Halbmondtisch. Könnten Sie dem Gericht sagen, was das ist?«
Selbstverständlich war Bryce-Pink sofort auf den Beinen, um nach der Relevanz des Ganzen zu fragen. Trueblood erklärte, das werde sich gleich zeigen, und der Richter schlug sich frohgemut auf die Seite der Beklagten, weil die der Anklage ihn zu Tode gelangweilt hatte. Mr. Trueblood konnte fortfahren. Und Mr. Plant ebenfalls, der nun in gnadenlosen Einzelheiten einen Halbmondtisch beschrieb.
»Wunderbar. Und wie wär's mit ...« Trueblood verschränkte die Arme, faßte sich ans Kinn, als denke er heftig nach. »Einem Aufsatzsekretär?«
Ach, Kumpel, so einen, wie Owen ihn hat? Lächelnd beschrieb Melrose auch den. Trueblood prüfte ihn auf Herz und Nieren mit noch zwei Teilen. Das eine war der Isfahanteppich, mit dem er in Fengate so schmerzlich vertraut geworden war. Bryce-Pink und seine Klientin saßen an ihrem Tisch und kochten vor Wut. Agatha besonders, weil sie ihres Komplizen Theo Wrenn Browne verlustig gegangen war.
Nachdem Trueblood die Kompetenz des Zeugen als Antiquitätengutachter demonstriert hatte, hielt er ein Buch hoch und fragte ihn, ob ihm das bekannt sei.
Melrose' Augenbrauen schossen in die Höhe, als er auf der Rückseite die Nuttings erkannte, wie sie um die Wette strahlten. Wie konnte Trueblood Mordsdeal! heranziehen? Doch der - ganz Sokrates -war schon voll zugange, da konnte er auch mitspielen. »Aber sicher doch. Habe mehr als einmal darin herumgeschmökert.«
»Und wie, Mr. Plant, würden Sie das Buch charakterisieren? Das heißt, wenn Sie es in ein, zwei Sätzen beschreiben müßten?«
Melrose fielen zuerst nur Sätze ein, die er in der Öffentlichkeit nicht wiederholen konnte, dann sagte er: »Es beschäftigt sich in erster Linie mit Auktionen, in zweiter mit Betrügereien.«
»Betrügereien?«
»Hm, ja, ich würde sagen -« Herr im Himmel, dachte Melrose, er wird doch nicht so dreist sein, anzudeuten . ? Er verfolgte den Gedanken nicht weiter und sagte dann voller Schadenfreude: »Betrügereien, ja. Die Autoren beschreiben (und mischen höchstwahrscheinlich auch kräftig mit, fügte er nicht hinzu) die diversen Tricks von Privatpersonen und Händlern - die Händler sollte ich eigentlich nicht miteinbeziehen, denn die meisten sind doch zumin-dest in bescheidenen Ausmaßen ehrlich.« Hier verneigte er sich ein wenig vor Trueblood, der ihm ein warnendes Lächeln schenkte. »Es handelt also von Individuen, denen es gelingt, Händler oder auch Auktionatoren hereinzulegen. Oder schlichte, ahnungslose Käufer. Es gibt zum Beispiel die alte Technik des >Köderns und
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