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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Stammgast hier, ein sehr netter Typ. Er geht hier ein und aus, wie andere Leute in ihrem Zuhause.« Sie schaute in den dunklen hinteren Teil der Gaststube. »Da sitzt er immer und gibt keinen Muckser von sich. Aber er ist sehr nett. Ein Gentleman.«
    »Haben Sie beide, Sie und Dorcas, sich Geheimnisse anvertraut?«
    »Nein, eher Meinungen ausgetauscht.«
    Diese Spezifizierung gefiel Jury. »Über die Leute in Fengate?«
    »Ja-a. Aber ich kannte sie nur vom Sehen. Ich war bloß ein paarmal da, wenn ich Dorcas zum Kino oder nach Kirton in die Disco abgeholt habe.«
    Julie und Dorcas waren eindeutig enger befreundet gewesen, als sie zugab, aber das griff er erst mal nicht auf. »Sind Sie zufällig mal dieser Verna Dunn, die auch ermordet worden ist, begegnet?«
    Julies heftige Vorliebe für saftigen Klatsch und Tratsch überrollte nun alle Bedenken, in die Angelegenheit verwickelt zu werden. »Ich nie, aber Dorcas ja. Sie hat gesagt, das wär doch komisch, daß Mr. Owen, wenn Grace da war, von seiner ersten Frau Besuch kriegte. Von dieser Verna, die sich hat umbringen lassen.« Nachdem sie sich nun zur Zusammenarbeit mit der Kripo genötigt sah, war sie eifrig darauf bedacht, daß Jury ihr weiter zuhörte. Sie senkte die Stimme. »Wissen Sie, es wurde auch geredet. Über Dorcas. Es ging das Gerücht, daß sie - na, Sie wissen schon - was Kleines erwartete.«
    »Daß sie schwanger war, meinen Sie.« Er senkte die Stimme auf ihre Lautstärke. Er kannte die Resultate der gerichtsmedizinischen Untersuchung zwar von Plant, beließ Julie aber in dem Glauben, daß ihre Freundin schwanger gewesen sei.
    Die drei Stammgäste am anderen Ende des Tresens waren von Wiggins und seinem Notizbuch sehr fasziniert, doch den Hauptteil des Gesprächs schien er zu bestreiten. Vermutlich verschrieb er ihnen was.
    Julie errötete. Für eine junge Frau, die als erfahren gelten wollte, wenn nicht sogar freizügig und sexy, wurde sie reichlich schnell verlegen.
    »Hat Dorcas es Ihnen selbst erzählt?« Sie nickte und wischte gedankenverloren mit dem Lappen über den Tresen. »Hat sie jemals erwähnt, was für ein Mann dazugehörte?« fragte Jury. Und als sie die Stirn runzelte, fügte er hinzu: »Es ist wichtig. Denken Sie nach, Julie.«
    »Denken« war für Julie offenbar etwas völlig Neues und eine sehr körperliche Betätigung. Sie verschränkte wieder die Arme, kratzte sich an den Ellenbogen, schielte zur Decke, bleckte mehrere Male ihre kleinen Mausezähne und schürzte die Lippen, als mache sie Fionas Übungen für die Gesichtsmuskulatur. Eins mußte Jury ihr lassen: Im Gegensatz zu den meisten Menschen nahm Julie das Denken verdammt ernst. Nun kaute sie an ihrer Unterlippe und sagte dann: »Sie ist mit einem Typ gegangen, aber sie hat es total geheimgehalten. Mir hat sie jedenfalls nie gesagt, wie er heißt. Hat mich gewundert. Egal, sie hat gesagt, sie ginge mit ihm nach London.«
    »Nach London? Wohnte ihr Freund in London?«
    »Nein, nein. Ich glaube, er war hier aus der Gegend. Dorcas bildete sich wer weiß was darauf ein.«
    »Hat sie wirklich keinen Namen genannt? Oder den Mann mal beschrieben?«
    Julie schüttelte den Kopf. Wiggins war mit den drei Herren fertig, kam zurück und bestellte noch eine Pepsi light, weil es ihm im Hals kratzte. Mit dem Kopf auf seine Zuhörer deutend, sagte er: »Das kommt von dem ganzen Rauch. Den haben sie mir ja direkt ins Gesicht geblasen.« Bekümmert schüttelte er das Haupt. Julie goß ihm noch einmal ein.
    »Wieviel hat Dorcas hier verdient?« fragte Jury Julie und hoffte, daß Wiggins ihn in seinem Rhythmus nicht weiter unterbrach.
    »Soviel wie ich, nehme ich doch an. Vier Pfund die Stunde. Sie war nur stundenweise hier. Sie hatte ja auch noch den Job in Fengate. Sie muß zu ihrem festen Gehalt so um die vierzig oder fünfzig Pfund dazuverdient haben. Bei den Owens kriegte sie ja auch Zimmer und Verpflegung, was eine Menge ausmacht. Besonders bei dem, was sie gegessen hat. Ich klatsche ja eigentlich nicht ...« Sie kicherte und zog ihren Pullover glatt. Ob sie ihre Figur besser zur Geltung bringen oder verbergen wollte, hätte Jury nicht sagen können. »Wir wollten beide abnehmen.«
    »War Dorcas bei den Männern genauso beliebt wie Sie?«
    Julie kicherte wieder. »Also, woher wollen Sie denn wissen, daß ich beliebt bin? Aber Dorcas, nein, überhaupt nicht. Sie war unscheinbar wie eine graue Maus. Die schaute kaum jemand an. Deshalb war ich ja auch so überrascht, daß sie den Typen hatte.

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