Fremde Gäste
erscheint. Das hat er bald oft genug erleben müssen. Er hätte ein halbes Dutzend Stellen haben können, aber niemand wollte ihn mitsamt dem Hund. Dann hörte er von den Straßenarbeiten im Hinterland und meinte, dort würde man an dem Hund nichts auszusetzen haben, weil er wohl einen Verschlag für sich allein kriegen könnte. Doch er stellte fest, daß die Arbeiter alle gemeinsam im Küchengebäude aßen; Hunde durften dort nicht hinein. Der arme Thomas! Er muß wohl am Ende seiner Kraft gewesen sein, als ich ihn mitnahm.«
»Aber nun ist vermutlich alles in Freude verwandelt, und Thomas und sein Hund haben ein Heim gefunden. Und wie stellt sich Sam dazu?«
»Ganz gut, denn Thomas ist so ein einfacher, offener Charakter. Er ist das genaue Gegenteil zu deinem David, Susan.«
»Zum letztenmal: Er ist nicht mein David! Übrigens ist mir so ein Bursche mit langen Haaren und Studentenjargon lieber als einer, der überall mit einem Hund herumzieht und ihn in einer Mietwohnung versteckt. Er muß wirklich sehr einfältig sein.«
»Das ist er, und das macht ihn gerade so anziehend. Er erzählte, er hätte genau gewußt, daß er für sich und Rufus ein Zuhause finden würde. Und wie du siehst, ist das auch in Erfüllung gegangen.«
»Weil er der einzigen Farmersfrau begegnete, die so mutig war, ihren Mann zu bitten, er solle doch einen ungelernten Arbeiter samt seinem Straßenköter bei sich aufnehmen. Ich muß schon sagen, Larry: Nach dem Tod des braven alten Mouse hast du geschworen, nie solch einen großen Hund zu halten. Höchstens einen Spaniel wie Mick.«
Larry hatte mehrere Labrador-Hunde gehabt, die alle »Mouse« hießen, und nacheinander drei Spaniels namens »Mick«. Sie hielt es für durchaus notwendig, daß ein Hund, der an Altersschwäche starb, einen Nachfolger bekam, der ihm möglichst ähnlich sah. Der mußte dann auch den gleichen Namen haben. Ich verstand das einfach nicht, denn sie betrauerte den Tod ihres Lieblings immer sehr. Aber sie erklärte, der Dahingegangene solle einiges von seinem Geist dem Nachfolger vermachen, und das werde dadurch erreicht, daß er denselben Namen bekam. Larrys Überlegungen gingen stets andere Wege als die meinen, besonders wenn es sich um Tiere handelte. Pferden und Hunden war sie außerordentlich zugetan. Aber ihre Tiere waren immer reinrassig gewesen, und jetzt hatte sie einen Bastard ins Herz geschlossen. Sie hatte mancherlei Gründe, Thomas und seinen Hund aufzunehmen; keiner davon war sehr überzeugend. Aber Sam verstand sie, weil er seine Frau liebte. »Er verwöhnt sie«, meinte Paul. Doch wie man es auch ansehen mochte, es war eine großartige Ehe.
Natürlich wollte ich mir Thomas anschauen und gab vor, Larry beim Einmachen der Tomaten helfen zu wollen. Die Männer waren in der Nähe bei der Arbeit an den Weidezäunen; zum Lunch kamen sie alle ins Haus, auch Thomas. Zum Mißfallen des Colonels herrscht nämlich bei uns der Brauch, die Mahlzeiten stets gemeinsam einzunehmen.
Wie ich erwartet hatte, war Thomas ein großer, starker Mensch. Er war nicht so feingliedrig und geistreich wie David. Sein Haar stand starr vom Kopf ab, obwohl er es offensichtlich mit einer nassen Bürste zu bändigen versucht hatte. Er hatte ein angenehmes, fast kindliches, aber keineswegs dummes Gesicht; seine kleinen Augen waren sehr blau. Aber wenn er selbst auch so aussah, wie ich ihn mir vorgestellt hatte — einen solchen Hundemischling hatte ich noch nie gesehen. Von dem goldfarbenen Spaniel, den Larry erwähnte, hatte er das Fell, und Thomas erzählte, er habe ihn nach einem König aus vergangenen Zeiten genannt, von dem er einmal gehört hatte. Der Hund war so groß wie ein Labrador, hatte auch dessen kleine Ohren und den mächtigen Schweif. Er mußte an der Tür sitzen bleiben, denn Thomas meinte: »Wir wollen gleich so anfangen, wie es in Zukunft bleiben soll.« Von dort aus beobachtete Rufus mit seinen großen braunen Augen jede Bewegung seines Herrn. Miteinander bildeten sie ein nettes, friedliches Gespann, und ich konnte mir gut vorstellen, daß Larry sie gern für längere Zeit in ihren Haushalt aufnehmen würde. Ob allerdings Thomas intelligent genug war, um den Beruf eines Farmers zu ergreifen, und ob er mit dem hier üblichen Lohn zufrieden sein würde, war eine andere Frage.
Er sprach wenig und nur, wenn er angeredet wurde. Er hatte eine angenehme Stimme, aber seinen Dialekt hätte der Colonel mit Bedauern als »typisch kolonial« bezeichnet. Im Hinblick auf die
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