Fremde Gäste
sogleich in eine heitere Unterhaltung über das »Anhalten«.
»Sobald ich aus der Stadt heraus war, fing ich es ganz schlau an. Im Ort selbst gab es ja wenig Aussicht. Da waren zu viele wie ich, die mitgenommen werden wollten. Aber weiter draußen fiel mir was ein. Ich stellte mich mit dem Rücken zur Straße, warf meine langen Haare, die leider jetzt abgeschnitten sind, breit über die Schultern — und schon fuhren die meisten Autos langsamer. Das Kunststück war nur, in den Wagen zu klettern, ehe man mein Gesicht gesehen hatte.«
Ich schnappte nach Luft. »Sie schrecklicher Mensch! So haben Sie’s also mit mir gemacht? Sie drehten mir absichtlich den Rücken zu, so daß ich meinte, Sie seien ein Mädchen?«
»War es denn nicht so, Susan?« Doch ganz ernsthaft fügte er gleich hinzu: »Gerade in dem Augenblick hatte ich’s eigentlich nicht so beabsichtigt. Ich war viel zu naß und zu kalt, um mich auch noch so raffiniert zu verhalten. Es stand auch bei Ihnen, mich hinauszuwerfen, wenn Sie mich für gefährlich hielten. Aber Sie behielten mich netterweise im Auto.«
Ich lehnte sein Friedensangebot ab und erklärte, daß nur mein Stolz mich davor zurückgehalten hätte. Ich wollte doch nicht zugeben, daß ich vor einem Anhalter Angst hatte. »Ich hatte das Gefühl, daß das albern sei, noch dazu in meinem Alter«, schloß ich etwas unbeholfen.
»Es ist höchst merkwürdig«, stellte David fest und gab sich dabei das Air ungeheurer Weisheit, »wie das weibliche Geschlecht sich verändert hat. Früher versuchten die Frauen, jünger zu erscheinen, als sie waren. Heutzutage tun sie das Gegenteil; schon nach kürzester Zeit geben sie ihr Alter bekannt. Das ist auch so eine Art von Angeberei.«
Wie üblich lachten sie nun alle über mich. Nur Tom blickte etwas verwirrt drein; er hatte wohl nicht ganz folgen können. David merkte das sofort und zog ihn ins Gespräch. »Wie hast du es denn beim Anhalten mit deinem Hund angefangen?« fragte er. »Riefen da nicht alle Fahrer: >Potzblitz!< und fuhren auf die andere Straßenseite?«
»Das nicht, denn da darf man ja nicht fahren«, entgegnete Tom ernsthaft. »Aber die meisten schüttelten den Kopf, als sie Rufus sahen. Bis Mrs. Lee anhielt und sagte: >Das ist aber ein schöner Hund!<«
»Und da wußtest du, jetzt ist alles gut. — Einmal hatte ich ein herrliches Erlebnis...«
Unversehens hatte sich die Gesellschaft geteilt. Tony und die beiden Burschen kicherten miteinander über eine komische Geschichte von David, während Peter, Larry und ich uns über die Aussichten für die Wintersaat und die Wollpreise unterhielten.
Plötzlich fing Larry an zu lachen. »Warum redet keiner von der Kluft zwischen den Generationen, die sich hier auftut?« Sogleich lenkten Tom und David ein, und die Unterhaltung ging wieder ins allgemeine. Aber zwischen den beiden jungen Männern war das Eis gebrochen. In Toms Gesicht sah ich die ungeheure Erleichterung: Der andere gehörte nicht zu den eingebildeten Pinseln. Der war schon in Ordnung. Wenn sie beisammen sein würden, würde Tom nicht von Minderwertigkeitskomplexen überwältigt werden.
Schließlich brach die Gesellschaft auf; die beiden Jünglinge verschwanden in Richtung der Pferdekoppeln. Andere Burschen in ihrem Alter hätten mehr für Motorräder übriggehabt. Peter und Tony begannen ohne rechte Lust Tennis zu spielen. Sie fanden es dann aber bald zu heiß und gingen zum Schwimmen im nahen Fluß.
»Und jetzt sitzen wir beide zusammen wie zwei alte Tanten, Susan! Da wollen wir uns auch so verhalten und über die jungen Leute reden. Vor allem: Ich wette, deine Ängste um Tony haben nun ein Ende. Peters neue Stute hat nach drei Jahren treuer Ergebenheit den Ausschlag gegeben.«
»Hoffentlich, Larry! Es gab schon allzuviel Hin und Her.«
»Das stimmt, und was Tony betrifft, so ist das noch nicht vorbei. Aber das Ärgste ist überstanden. Bald wird sie zu dir kommen und dir ins Ohr flüstern: >Susan, kannst du raten, was geschehen ist?< Und du wirst Überraschung heucheln und deine Erleichterung verbergen.«
»Ich hoffe sehr, daß es so kommt... Doch nun von etwas anderem: Tom ist ein netter Kerl; ich freue mich, daß David und er so gut miteinander auskommen. Ich möchte wohl wissen, was die beiden jetzt treiben. Tom versteht überhaupt nichts von Pferden, und David kann zwar reiten, aber von einem Pferdeverstand zeigt sich da nichts.«
Er besaß aber doch einen, denn jetzt tönte ein Ruf von der Koppel herüber: »Mami,
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