Fremde Gäste
daß ich sein Gesicht nicht sehen konnte. »Nach einem Jahr fanden sie,
das Pony sei für mich zu klein. Als reizendes Geburtstagsgeschenk verehrten sie
mir einen viel größeren Gaul und verkauften das Pony .«
Ich war betroffen. Ein Unterton
in seiner Stimme verriet, daß das ein schrecklicher Schlag für ihn gewesen war.
So beiläufig wie möglich fragte ich: »Und was wurde aus dem Pony ?«
»Das weiß der Himmel. Ich
konnte es nicht feststellen. Ich nehme an, daß ein anderer Junge damit beglückt
wurde. Sie sagten, es hätte einen guten Platz gefunden .«
»Und das neue Pferd, haben Sie
das auch liebgewonnen ?« fragte ich schüchtern.
»Ich habe es nie geritten«, sagte
er kurz und brachte dann das Gespräch auf meinen Sohn Christopher. Solch einem
Thema kann keine Mutter widerstehen, und vom Reiten war nicht mehr die Rede. Es
war Sonntag nachmittag; unaufgefordert war er bei uns erschienen, saß mit mir
auf der Veranda und plauderte, heute weniger steif und zurückhaltend als sonst.
Larrys Kinder verbrachten den Tag bei uns; sie und meine Kinder beehrten unsere
Häuser abwechselnd mit ihrer Gegenwart. Jetzt waren alle zu Pferd unterwegs.
Mein Christopher und Larrys Christina (eine alberne Verbindung christlicher
Vornamen, an der Larry schuld ist, denn ihr Kind ist neun Monate jünger als
meines!) kamen immer zum Wochenende aus Te Rimu nach Hause. Auf diese Weise
hatte Tante Kate eine Verschnaufpause. Sie schien das zwar nicht nötig zu
haben; diese unglaubliche Person behauptete, sich am Samstag und Sonntag zu
langweilen. Sie war eine Tante von Sam, eine alte Jungfer, aber altjüngferlich
an ihr waren nur ihre Kleidung und ihr Umgangston. Sie war in unsere Gegend
gezogen und ein heißgeliebtes Mitglied unserer Familie geworden. Sie hatte in
Te Rimu in der Nähe der Grundschule ein Haus gekauft. Mit rührendem Opfermut
erbot sie sich, unsere Kinder von Montag bis Freitag bei sich aufzunehmen. So
ersparte sie uns die Suche nach einem Internat, das wir uns auch kaum hätten
leisten können. Wenn wir zu sagen wagten, daß sie da ein Opfer bringe, wurden
wir energisch abgefertigt. »Das wahre Opfer bringen die Eltern, die sich von
ihren Kindern trennen und mir so eine — nein, zwei neue Lebensaufgaben
verschaffen .«
So schien es wirklich. Sie
beklagte sich niemals über die Arbeit, die ihr die Kinder machten, noch je über
Müdigkeit. Sie schien immer Herr der Situation zu sein. Dennoch fand
Christopher, sie sei kein Schulmeister, im Gegensatz zu seinen Eltern, leider!
Es war die glücklichste Lösung für alle Beteiligten; Tante Kates Haus war für
uns ein zweites Zuhause in Te Rimu.
Aber heute waren die Kinder bei
uns und nun mit ihren Ponys unterwegs. Von David hatten sie beiläufig Notiz
genommen, und er hatte das genauso beiläufig hingenommen. Ich glaube, gerade
das gefiel den Kindern an ihm. Er machte kein Aufhebens von ihnen und schien sie als Gleichberechtigte zu betrachten.
Sein Bericht von seinen
Erlebnissen im Pony-Klub hatte mich interessiert. Zum erstenmal hatte er von
seiner Kindheit erzählt; das gab mir Gelegenheit, ihn zu fragen: »Wissen Ihre
Eltern eigentlich, wo Sie jetzt sind, David ?«
»Ich glaube kaum«, erwiderte er
leichthin. »Wenn sie nicht Tiri auf der Landkarte gesucht haben, wo es aber
wohl nicht angegeben ist. Ich habe ihnen gestern ein Telegramm geschickt, denn
ich dachte mir schon, daß Sie mich heute ins Kreuzverhör nehmen würden .«
Niemand mag sich vorwerfen
lassen, einen anderen ins Kreuzverhör zu nehmen. Ich war beleidigt. »Vermutlich
haben Sie ihnen nur mitgeteilt, daß es Ihnen hier gutgeht ?«
»Wenn Sie’s ganz genau wissen
wollen«, entgegnete er bissig, »ich telegrafierte: >Alles in Ordnung. Habe
einen Job. Grüße .< Na, sind Sie jetzt zufrieden?«
»Seien Sie doch nicht so eklig!
Ich bin nicht neugierig, aber eine Mutter möchte doch gern wissen, wo sich ihr
Nachwuchs befindet .«
»Richtig. Und Sie sind eine Mutter, nicht wahr, Susan? Oh, Verzeihung, das rutschte mir so raus! Mrs.
Russell klingt so fad; Larry ist doch auch nicht so formell. Können wir das
>Mrs .< nicht weglassen, da ich doch für ein paar
Monate hier installiert bin?«
Ich war natürlich
einverstanden. Ich bin nicht auf Formalitäten versessen, hatte aber erst
abwarten wollen, ob er länger dablieb.
»Schon gut«, sagte ich. »Aber
erzählen Sie doch: Haben Sie unsere Posthalterin kennengelernt, als Sie das
Telegramm auf gaben?
Tantchen war für Sie doch gewiß
eine
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