Fremde Schiffe
teilweise sogar grimmig. Keiner von ihnen bekleidete ein offizielles Amt, aber sie leisteten die Dienste, ohne die ein Staat nicht existieren konnte. Einige arbeiteten als Spione, andere dienten der Königin, indem sie in fremden Ländern großzügig Bestechungen austeilten. Die meisten hatten Berufe, die ihnen weite Reisen gestatteten: Seeleute, Händler und sogar Gaukler.
Shazad setzte sich auf ihren Stuhl. »Nehmt Platz.« Sie sprach ohne Einleitung.
Einer der Anwesenden sah besorgt drein, gab sich aber alle Mühe, sorglos zu wirken. Er hatte ein edel geschnittenes, aber ein wenig verlebtes Gesicht. Leere Scheiden an seinem Gürtel zeugten davon, dass er mit einem Kurzschwert und einem schweren Dolch bewaffnet eingetroffen war.
»Ich danke euch allen, dass ihr so kurzfristig erschienen seid«, sagte die Königin. »Ich habe außergewöhnliche Pläne, für die ich eure Hilfe benötige.« Sie war dankbar, dass sie nicht mit Beteuerungen und Höflichkeitsfloskeln überschüttet wurde. Die Männer hörten ihr aufmerksam zu. »Die meisten von euch kennen einander. Einer ist zum ersten Mal hier: Ilas von Nar.«
Höflich und anmutig verneigte sich der Mann. Anscheinend trafen die Gerüchte zu, die man sich über ihn erzählte: Ilas von Nar war der bettelarme Spross einer einstmals edlen Familie.
»Ich bin aufs angenehmste überrascht, Majestät«, sagte Ilas. »Noch vor einer Stunde lungerte ich wie jeden Abend in der Taverne Zum ertrunkenen Seemann herum, als mich plötzlich zwei Uniformierte ansprachen und den Hügel hinaufzerrten. Ich befürchtete schon, in den Kerker geworfen zu werden, aber stattdessen finde ich mich in deiner wundervollen Gegenwart wieder.«
»Hältst du es für möglich, dass dir eine Gefangenschaft bevorsteht?«, erkundigte sich Shazad.
»Ein unschuldiger Charakter ist keine Verteidigung gegen böse Gerüchte, Majestät«, antwortete er.
Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte die Königin. »Diene mir treu und gut, dann brauchst du weder Gefängnis noch böse Gerüchte zu fürchten.«
»Das will ich aus ganzem Herzen«, sagte er und verneigte sich erneut.
Shazad gefiel dieser charmante Gauner, aber sie war sogleich auf der Hut. So mancher hatte sich durch Liebenswürdigkeit täuschen lassen, und gerade bei Männern mit schlechtem Ruf konnte man nicht vorsichtig genug sein.
»Schon bald wird Neva die Flotte ausschicken«, erklärte sie. »Ein Teil der Vorbereitung besteht darin, möglichst genaue Informationen über alle seefahrenden Länder und Inseln zu erhalten.« Sie sagte es, um ihre wahren Pläne so lange wie möglich geheim zu halten. Natürlich war die Hoffnung vergebens. Diese Männer wussten ganz genau, dass Neva nur einen wahren Feind hatte, den man zur See angreifen musste. Shazad hoffte, sie würden so lange wie möglich darüber schweigen.
Natürlich würde das ganze Land Bescheid wissen, sobald die ernsthaften Vorbereitungen begannen. Es gab keine Möglichkeit, auch den wichtigsten Plan lange geheim zu halten, und im Gegensatz zu König Haels Armee waren ihre Leute nicht in der Lage, den Neuigkeiten vorauszueilen.
Einem Mann nach dem anderen wurde seine Aufgabe zugeteilt. Die Nachrichten über die Küstenstaaten würden sich vielleicht als nützlich erweisen. Wenn sich Neva auf einen Kriegszug übers Meer begab, so mochten die Nachbarstaaten die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und sich einen Teil von Shazads Land einverleiben. Ihre Spione würden wissen, ob solche Übergriffe bevorstanden.
In Wahrheit befürchtete sie allerdings nichts dergleichen. Keines der Nachbarländer war mächtig oder wohlhabend genug, um eine solche Invasion durchzuführen. Aber Grenzstreitigkeiten waren ärgerlich und bereiteten den Herrschern genügend Kopfschmerzen.
Jeder Mann erhob sich und verschwand, nachdem er seinen Auftrag entgegengenommen hatte, bis nur noch Malk und Ilas übrig waren. »Meister Malk, dir übertrage ich die wichtigsten Pflichten. Du musst alles in Erfahrung bringen, was entlang der Küste von Kasin in Richtung Norden vorgeht, auch jenseits unserer Grenzen. Ich muss wissen, ob die Insulaner Überfälle durchführen, ob sie irgendwelche geheimen Häfen haben, ob meine Untertanen oder meine Nachbarn mit ihnen Verhandlungen führen. Außerdem muss ich wissen, ob irgendwelche unserer Häfen der Instandsetzung bedürfen. Ich kann den Berichten der offiziellen Beamten nicht vertrauen.«
»Das verstehe ich, Majestät«, antwortete Malk.
»Sehr schön. Wie üblich, wirst
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