Fremde Schiffe
Vorgehensweise war ausgesprochen langwierig, aber sie wusste, dass sie sich aller diplomatischen Schliche bedienen musste, bis eine langatmige, offizielle Korrespondenz mit dem eigentlichen Herrscher des unbekannten Landes in Gang kam und ihr offizielle Schritte ermöglichte.
Am Spätnachmittag schickte ihr der Medikus einen Boten mit der Nachricht, dass sich die Fremden rasch erholten und keine schweren Krankheiten hatten. Er hatte medizinische Bäder angeordnet, da sie von Ungeziefer befallen waren. Ihre Kleidung ließ er verbrennen. Luoma rümpfte die Nase, als sie Shazad den Brief vorlas.
»Das sind schmutzige Barbaren, Majestät«, sagte die Zofe.
»Sie kamen mir nicht besonders verdreckt vor«, meinte Shazad. »Ich habe schon viele Reisen unternommen und weiß, wie schwierig es ist, sich an Bord eines Schiffes sauber zu halten. Außerdem habe ich viele Diener, die mir dabei helfen. Während einer Reise, wie sie diese Männer unternommen haben, können auch die reinlichsten Menschen von Ungeziefer befallen werden. Mein Vater pflegte sich seinen Kopf kahl scheren zu lassen, ehe er sich auf eine lange Seereise begab. Er meinte, er würde sich waschen, wenn er heimkehrte oder aber ein feindliches Badehaus eroberte.«
»Ich hoffe, du hast Recht. Es wäre schön, sich mit gebildeten Herren aus dem Ausland zu unterhalten anstelle von Wilden wie den Chiwanern, Sonoanern und Omianern oder König Haels Nomaden. Auch die höflichsten von ihnen sind völlig unkultiviert. Die Damen in Sono tragen viel zu viel Schminke und ihre Duftöle riechen viel zu stark. Die Chiwaner bringen Menschenopfer dar, wenn sie sich aufregen. Ich hoffe, diese Neuankömmlinge sind zivilisiert.«
»Das werden wir früh genug erfahren.«
Luoma erhob sich von ihrem Stuhl und untersuchte die Bernsteinketten, die sie in das Haar der Königin geflochten hatte. »Ich finde, wir sollten Amethystketten anlegen, meine Königin. Es ist schon fast Zeit …«
Shazad schlug ihr auf die Finger. »Du siehst nach, ob ich Läuse habe! Ich habe gebadet und meine Kleider wurden verbrannt, als ich in den Palast zurückkehrte. Jetzt setz dich hin und benimm dich vernünftig oder ich werfe dich hinaus.«
»Jawohl, Majestät«, sagte Luoma beleidigt, glättete ihre Röcke und warf Shazad einen tadelnden Blick zu.
Zwei Stunden später brachte man die Ausländer in den Palast. Shazad hatte eine kleine Terrasse ausgewählt, die von einer Pergola beschattet wurde. Die Umgebung war nicht so förmlich wie der Thronsaal oder ein Verhandlungsraum, aber dennoch luxuriös genug. Die Höflinge und ausländischen Botschafter konnten aus einiger Entfernung alles beobachten, ohne zu stören. Sie hatte Gelehrte herbeigerufen für den Fall, dass es Sprachschwierigkeiten gab. Außerdem hatte sie einen Pantomimen bestellt, der sich allein durch Körpersprache verständigen konnte.
Als die Fremden von Wächtern begleitet die Terrasse betraten, musterte sie die Besucher eingehend. Sie hielten sich gut, warfen aber immer wieder neugierige Blicke auf die Waffen der Leibwächter. Das geschah nicht aus Angst. Es lag daran, weil die Wachen Waffen aus Stahl bei sich hatten. Also gab es in dem unbekannten Land ebenso wenig Stahl, wie es früher in Neva der Fall war. Das war gut zu wissen.
Die Männer sahen nicht schlecht aus und hatten sich gut von ihrem üblen Zustand erholt. Sie wirkten selbstbewusst und so zufrieden wie Männer, die gerade eine ordentliche Mahlzeit zu sich genommen und gebadet haben, nachdem sie lange Zeit auf diese Annehmlichkeiten verzichten mussten. Sie blieben vor der Königin stehen und verneigten sich tief, aber nicht sehr elegant. Anscheinend waren sie an höfisches Zeremoniell nicht gewöhnt. Der Mann, der das Schwert bei sich trug, redete längere Zeit auf Shazad ein und sie unterbrach ihn nicht.
»Er spricht einen südlichen Dialekt!«, sagte sie, als er geendet hatte.
»Einen höchst seltsamen südlichen Dialekt«, antwortete ein Gelehrter, der sich auf die südlichen Sprachen spezialisiert hatte. »Selbst in den abgelegensten Bergprovinzen von Sono spricht man keinen so eigenartigen Dialekt.«
»Trotzdem wird jetzt alles viel einfacher sein, als ich es mir vorgestellt habe.« Sie erhob sich und hieß die Männer in ihrem deutlichsten Südländisch offiziell willkommen. Die Fremden sahen sie überrascht und erfreut an. Shazad wandte sich an die Gelehrten. »Alle, die nicht mit den südlichen Sprachen vertraut sind, dürfen sich entfernen.«
Bis auf
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