Fremde Schiffe
schmalen Kette befestigt waren, die um ihre Hüften hing. Auf ein Zeichen von Harakh hin zwangen die Soldaten die Frau niederzuknien und sich schließlich bäuchlings vor den Thron zu werfen.
»Meine Königin, so halte ich meine Versprechen«, verkündete Harakh.
Sekundenlang glaubte Shazad, ohnmächtig zu werden. Seit Jahren träumte sie von diesem Augenblick, hätte aber nie gedacht, dass er wahr werden könnte. Die Erinnerung an die Demütigungen, die diese Frau ihr zugefügt hatte, vergiftete sie seit ihrer Jugend Tag für Tag. Langsam erhob sie sich und schritt die beiden Stufen hinab. Sie stellte sich neben die Gefangene und zog den rechten Fuß aus dem mit Perlen bestickten Seidenschuh. Vorsichtig setzte sie ihn der Liegenden auf den schmalen Nacken, dessen Wärme sowie das Gefühl des seidigen Haars ein angenehmes Prickeln durch ihren Körper schickten. Gelassen stützte sie sich immer stärker auf und drückte das Gesicht der Frau fest auf den Boden.
»Larissa«, begann sie die uralte Formel, »ich halte dich gefangen und du lebst oder stirbst, wie es mir gefällt. So triumphieren meine Götter über die deinen.« Jubelrufe und Glückwünsche schallten durch den Raum. Ein Page zog der Königin den Schuh an und führte sie zum Thron zurück. Auf ihr Zeichen hin setzte sich Harakh auf einen etwas tiefer stehenden Stuhl zu ihrer Rechten. Sie vermochte den Blick kaum von der Gefangenen zu wenden.
»Gasam?«, fragte sie leise.
»Er ist geflohen«, antwortete Harakh beklommen.
»Nun, es wäre auch zu schön gewesen.« Ihr fiel etwas ein. »Wo ist Prinz Ansa?«
Harakh deutete auf eine Bahre, die von vier kräftigen Seeleuten getragen wurde. »Leider ist er verletzt, aber du hättest ihn sehen sollen. Es war unglaublich.«
»Beim Essen musst du mir alles erzählen.« Sie winkte den Seeleuten und sie brachten den Prinzen zu ihr. Er war furchtbar blass und unter den vielen Verbänden war der Körper nicht zu erkennen. Er warf ihr ein schwaches Lächeln zu.
»Schade, dass ich Gasam nicht erwischte.« Die Worte fielen ihm sichtlich schwer.
»Ein solches Geschenk habe ich noch nie erhalten. Es genügt völlig.« Sie sah den Oberhofmeister an. »Bringt ein Sofa für Prinz Ansa.« Kurz darauf stand das Sofa neben dem Thron. Shazad sah Larissa an, die sich aufgerichtet hatte und mit belustigter Miene vor ihr kniete.
»Sie ist eine Königin und muss nicht auf dem Boden sitzen. Bringt ihr einen Stuhl.«
Ein Stuhl wurde vor dem Thron aufgestellt. Wachen halfen ihr die Stufen hinauf und setzten sie hin, so dass sich ihr Kopf auf einer Höhe mit Shazads Hüften befand.
»Mein Gemahl wird euch alle ermorden«, erklärte Larissa.
»Das wollte er schon immer. Deine leeren Drohungen bedeuten nichts. Dein Mann, der mächtige Gasam, konnte deine Gefangennahme nicht verhindern.« Zu ihrer Freude errötete die hochmütige Larissa heftig. Gemäß der Inselsitte trug sie ein Seidentuch, das sich von den Achselhöhlen bis zum Knie um ihren Körper schlang.
»Du bist trotz deiner goldenen Ketten nicht königlich gekleidet. Soll ich dir ein Kleid bringen lassen?«
»Macht es dir etwas aus, dass ich nackt viel schöner bin als du, die du dich unter vielen Schichten Seide und Schminke verbirgst?« Larissa lächelte fröhlich.
»Eitelkeit war schon immer deine Schwäche, Schwesterkönigin. Inzwischen hättest du lernen müssen, dass die Schönheit des Fleisches vergänglich ist.«
»Schönheit ist eine Sache, aber es gibt noch andere«, meinte Larissa. »Das Schmerzen der Glieder, die Atemlosigkeit und die Schwerfälligkeit, die von Jahr zu Jahr schlimmer wird.« Gelassen betrachtete sie ihre makellosen Hände. »Wahrscheinlich habe ich auch irgendwann damit zu kämpfen.«
»Du hast Glück, dass du mir jetzt in die Hände gefallen bist«, sagte Shazad wütend. »Früher hätte ich dir für deine Unverschämtheit die Haut vom Rücken peitschen lassen.«
»Wie milde du im Alter geworden bist.«
Ansa stöhnte. »Könnt ihr euch nicht über etwas anderes unterhalten? Diesen Kram hätte ich mir auch zu Hause von meiner Schwester anhören können.«
Harakh wollte ihn zurechtweisen, wurde aber von einem Blick Shazads zum Schweigen gebracht.
»Du hast Recht«, sagte sie ruhig. »Wir haben einen Sieg zu feiern und ein Festmahl zu begehen. Außerdem müssen wir Pläne schmieden. Das Glück hat sich gewendet.«
Ansa fand wenig Gefallen an der Mahlzeit, obwohl ihn die dankbare Königin mit Ehren überhäufte. Er aß ein wenig
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