Fremde Schiffe
Mann, der die Königin raubte … Ilas behauptet, es wäre nur einer gewesen. Ist das wahr?«
»Ja. Ich kenne ihn. Es war der Sohn Haels!«
»Haels Sohn!«, flüsterte Pendu überrascht. »Kairn?«
»Nein, der Ältere. Ansa. Derjenige, dem ich die Narbe im Gesicht verdanke.«
Pendu sah sich um und gewahrte die unsicheren Mienen der Männer. Mit leiser Stimme wandte er sich an den König. »Gasam, du musst mit ihnen sprechen. Ihr Glaube ist erschüttert, aber die Geschichte mit Haels Sohn ist etwas anderes. Jeder weiß, dass Hael genau wie du kein gewöhnlicher Mensch ist. Also klingt es glaubwürdig, dass uns ein Sohn Haels eine Niederlage zufügt, ohne dass wir unser Gesicht verlieren. Sage es ihnen!«
Gasam klopfte Pendu auf den Rücken und trat ein paar Schritte vor. Er hob die Arme zum Himmel und rief: »Meine Krieger! Ihr alle kennt die uralte Feindschaft zwischen mir und meinem Erzfeind Hael, dem Verfluchten! Jedes Mal, wenn ich denke, sie ist begraben und vergessen, taucht diese unnatürliche Kreatur wieder auf. Erneut forderte mich Hael mit seiner feigen Magie heraus! Der Sohn Haels kam an Bord meines Schiffes und raubte die Königin. Viele von euch haben es gesehen! Ich frage euch, kann ein gewöhnlicher Sterblicher, der nur seine Körperkraft besitzt, so etwas vollbringen?«
Die Krieger verneinten einstimmig. Zufrieden sah sich Pendu um und wunderte sich wieder einmal über die Beredsamkeit des Königs und wie leicht sich die Männer beeinflussen ließen. Er spürte, dass Gasam in der Lage war, die Menschen mit dem Wunsch zu erfüllen, ihm zu glauben, so dass selbst die eigenartigsten Behauptungen ihnen wie elementare Wahrheiten vorkamen.
»Jetzt ist die Königin die Gefangene der Feinde!« Verzweifeltes Stöhnen wurde laut. Die Knaben der Leibwache waren völlig fassungslos.
»Dennoch bedeutet das keine echte Niederlage! Hael kann mich nicht mit fauler Magie besiegen! Ein Bastard Haels zwingt mich nicht in die Knie! Im Augenblick muss ich mit den Feinden verhandeln. Also sammeln wir unsere Kräfte, erfreuen uns unserer Eroberungen und stärken uns. Wenn ich meine Königin wieder habe, erobern wir die ganze Welt. Hael und seine Nachkommen werden endgültig vernichtet!«
Die Männer brüllten vor Begeisterung und Pendu stellte sich neben den König, auf seinen uralten Shasinnspeer gestützt.
»So ist es besser, mein König.« Er grinste. »Wie komisch, dass Hael plötzlich ein Zauberer ist, wo du doch bewiesen hast, dass alle Geistersprecher Betrüger sind.«
Gasam zuckte die Achseln. »Er ist nicht wie gewöhnliche Männer und Zauberer ist ein ebenso gutes Wort wie jedes andere. Worte sind schon immer meine Waffen gewesen. Ich werde sie jetzt mit besonderem Geschick einsetzen, da ich mit Shazad verhandeln muss, als wäre die Schlampe mir ebenbürtig.«
»Hab Geduld. Wie hat es dieser Ansa nur geschafft? Ich wünschte, ich hätte es gesehen.«
»Es war keine Magie. Der Junge war tapfer und ich war achtlos – das gebe ich zu. Er sprang an Bord, als wir abgelenkt waren. Ich glaube, ich habe ihn schwer verletzt. Mit ein wenig Glück stirbt er, aber wenn es Hael betrifft, habe ich selten Glück.« Traurig beobachtete er das ausländische Schiff, das mit seiner Königin davonsegelte. Die untergehende Sonne färbte die Segel rot.
KAPITEL ZEHN
S hazads Miene war eine Maske der Beherrschung. Sie beobachtete, wie das Schiff in dem kleinen Hafen vor Anker ging und sein Deck mit Verwundeten übersät war, die auf Bahren lagen. Kein Bote kam an Land, aber sie seufzte erleichtert auf, als die Sonne den vertrauten Helm ihres Gemahls aufblitzen ließ. Er hatte die Verkleidung abgelegt und trug seine Galauniform. Shazad zog sich in ihren provisorischen Thronsaal zurück und wartete ungeduldig. Ihr Gefolge mit ihren Hofdamen verhielt sich völlig still, da niemand eine Bemerkung wagte, ehe nicht feststand, ob Grund zum Feiern oder zum Trauern bestand.
Die Türen wurden geöffnet und Harakh trat mit forschen Schritten ein. Er salutierte und verneigte sich.
»Willkommen, mein Gemahl«, sagte Shazad. »Ich freue mich, dich wohlauf zu sehen.«
»Meine Königin, ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.« Harakh drehte sich um und klatschte in die Hände. Marinesoldaten traten in Zweierreihen ein. Zwischen ihnen ging eine zierliche Frauengestalt, die durch die goldenen Ketten behindert wurde, die ihre Knöchel umschlossen. Von einem goldenen Halsring führten Ketten zu den Handgelenken, die wiederum an der
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