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Fremde Wasser

Fremde Wasser

Titel: Fremde Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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flucht. Droht mit Schadensersatz.
    »Wir verklagen Ihre Regierung bei der Weltbank auf 25 Millionen Dollar Schadensersatz«, faucht er den Beamten an.
    »Wofür?«, fragt der. »Sie haben hier keinen Dollar investiert.«
    »Entgangener Gewinn«, schreit Crommschröder.
    Der Beamte zuckt mit den Schultern. Er habe kein Mandat für Verhandlungen. Er solle ihm ausschließlich die Entscheidung des
     Präsidenten mitteilen.
    Im Konvoi zurück zum Flughafen.
    Wie ein geprügelter Hund kommt er sich vor.
    Und so fühlte er sich immer noch, als der Learjet in Berlin landet.
    Das erste seiner Ziele ist gescheitert. Er knirscht mit den
    Zähnen.
    15 Prozent. Das ist jetzt Ihr Alpha und Ihr Omega.
    Morgen wird er Berger feuern.

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    Noch einmal Berlin
    Der Zug nach Berlin war überfüllt. Im Großraumwaggon gab es nur noch einen freien Platz. Dengler setzte sich neben einen allein
     reisenden Mann. Er steckte in einem grauen Glencheck-Anzug, trug ein blaues Hemd und hatte eine rote Krawatte umgebunden.
     Irgendwo hinter Vaihingen beschlich Dengler der Verdacht, der Mann könne ein Polizist sein. Er hätte nicht sagen können, warum
     er sich dessen plötzlich so sicher war. Es war eine Art Instinkt, wie einige Ganoven ihn besitzen, die einen Bullen schon
     von weitem riechen können. Auch Bullen können Bullen riechen. Er, Dengler, hatte das immer gekonnt. Doch dieser hier schien
     kein normaler Polizist zu sein. Sein Zugnachbar blätterte in einem Buch, das er sich antiquarisch beschafft haben musste,
     so alt sah es aus. Dengler versuchte den Titel zu erhaschen, und als es ihm gelang, überkamen ihn Zweifel, ob der Alte tatsächlich
     ein Polizist war. Der Fremde las in einer Ausgabe von Johann Peter Hebels Kalendergeschichten. Immer wenn er eine Seite umblätterte,
     leckte er kurz über die Kuppe des Mittelfingers. Auf jeden Fall ein Beamter, dachte Dengler, erprobt im Aktenlesen.
    Kurz nach Heidelberg siegte die Neugier. Dengler stellte sich vor. Der Mann sah genervt von seinem Buch auf.
    »Berndorf«, sagte er, »ich reise seit Ulm in diesem Zug.«
    Er sah zum Fenster hinaus.
    »Und jetzt muss ich aussteigen. Mannheim. Ich muss nach Heidelberg weiter.«
    Dengler stand auf, damit Berndorf seinen Fensterplatz verlassen konnte. Die beiden Männer gaben sich die Hand, und der ältere
     Mann ging in Richtung Zugtür. Dengler sah ihm kurz nach und wusste immer noch nicht, ob er mit seiner Vermutung recht hatte
     oder nicht.
    Am Eingang des Paul-Löbe-Hauses kontrollierten Beamten seinen Ausweis. Es dauerte zehn Minuten, bis Anneliese Krummacher ihn
     abholte. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm, blondierte, schulterlange Haare, mochte etwa vierzig Jahre alt sein. Das ausgeprägte
     Doppelkinn passte ganz gut zu ihr, fand Dengler. Sie war von einer routinierten Höflichkeit.
    »Sie wechseln die Arbeitsstelle?«, fragte er, als sie im Aufzug standen und das Schweigen unangenehm wurde.
    Nun schien sie aufzutauen.
    »Ja, ich fange bei einer großen Berliner Kanzlei an.«
    Sie wuchs um einige Zentimeter.
    »Eine Wirtschaftskanzlei. Als Assistentin des Seniorpartners.«
    »Donnerwetter.«
    »Sie sind auch Anwalt?«
    »Ich arbeite leider nicht in einer großen Kanzlei.«
    Das sieht man dir auch an, sagte der Blick, mit dem sie ihn musterte. Dann hielt der Aufzug, und sie führte ihn über einen
     Gang zu dem Büro der verstorbenen Abgeordneten Schöllkopf. Sie schloss die Tür auf. Auf einem Tisch standen ein Dutzend Sektflaschen
     und mit Alufolie abgedeckte Glasschüsseln mit Salaten. Alles vorbereitet für die Abschiedsparty.
    In der hintersten Ecke des Büros waren sechs Umzugskartons in zwei Türme gestapelt, ein siebter lag quer obenauf. Anneliese
     Krummacher deutete auf den untersten des rechten Stapels: »Da sind die Reden drin.«
    Dann drehte sie sich um und setzte sich auf einen Stuhl.
    Dengler wuchtete die Kiste auf den Tisch, öffnete sie. Es gab Ordner mit Korrespondenz, Ordner mit Einladungen und Veranstaltungen
     im Wahlkreis, Parteieinladungen und schließlich drei Ordner mit Reden. Dengler blätterte diese Ordner und die anderen alle
     durch. Einmal, zweimal und ein drittes Mal.
    Angelika Schöllkopfs letzte Rede fehlte.
    Er fragte die Sekretärin danach, aber die zuckte nur mit den Schultern.
    »Wenn sie darin nicht abgeheftet ist, weiß ich es auch nicht.«
    Er durchsuchte den Karton nach losen Blättern. Nichts.
    »Kennen Sie die Rede? Haben Sie sie getippt?«
    »Nein. Diese nicht.«
    »Diese nicht? Warum

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