Fremde Wasser
kriegt Berger den Laden nicht in den Griff?
Dann meldet er Barrikaden und Streiks.
Es gibt allein in der südlichen Zone der Stadt mehr als 70 Wasserkomitees, in denen sich Aufrührer zusammengeschlossen haben
(unter uns: Es sind gewöhnliche Bürger). Sie haben in der Stadt eine »Koalition für das Wasser und Leben« gegründet. Diese Koalition hat mehr als 60 000 Unterschriften für die Rücknahme
der Privatisierung gesammelt. Sie wollen eine Volksabstimmung dazu durchführen. Wenn sie das schaffen, werden sie auch die
Mehrheit bekommen.
Die Regierung ist auf unserer Seite. Sie hat Militär in die Stadt geschickt und bereits zur Abschreckung einen jungen Mann
erschossen, der ein bisschen zu frech auf den Barrikaden herumlief. Trotz des Toten und des harten Vorgehens des Militärs
nehmen die Barrikaden nicht ab. Jetzt besetzen die Komitees einzelne Wassertürme. Das Militär kann sich nicht verzetteln und
jeden Turm schützen. Es sind zu wenig Soldaten, obwohl die Stadt davon wimmelt.
Sie werfen uns vor, dass wir die Tarife um 200 Prozent angehoben haben und nichts investieren. Insbesondere nicht in die Armenviertel
der Stadt. Wir müssen etwas tun. Sie haben angefangen, ihre eigene Wasserversorgung aufzubauen. Wir lassen durch die Polizei
die Pumpen der Wasserkomitees verriegeln. Am nächsten Tag sind sie wieder aufgebrochen. Ich schlage vor, die Wassertarife
wieder auf das alte Niveau zu senken. Sonst fliegt uns hier alles um die Ohren.
Crommschröder ist wütend. Berger weiß doch, wie wichtig das Projekt für den Konzern ist. Und für ihn.
Für mich.
»Nichts wird abgesenkt«, schreibt er zurück, »ich brauche das Geld aus Cochabamba hier.«
Er beschließt, selbst hinzufliegen.
Nachts fliegen. Einen Tag reden. Berger soll Termine machen. Nächste Nacht der Rückflug.
Mit dem Learjet bin ich in anderthalb Tagen wieder in der Zentrale.
* * *
Als der Lear sich auf den Flughafen der Stadt senkt, ist Crommschröder wieder ruhig. Offensichtlich hat er sich inBerger doch getäuscht. Er wird ihn gegen den ehrgeizigen Geike austauschen. Der ist gewissenlos und kalt genug, die Sache
wieder hinzukriegen. Aber erst mal muss er jetzt Ruhe ins Geschäft bringen. Ruhe, das war das Wichtigste.
Berger empfängt ihn am Flughafen. Weißer Anzug. Krawatte gelockert.
Vielleicht säuft der sogar.
Sie fahren in einem Konvoi mit drei Wagen. Polizei vorne und hinten. Berger quasselt die ganze Zeit.
Crommschröder sieht zum Fenster hinaus.
An jeder Ecke Soldaten und Polizisten. Stahlhelme. Schlagstöcke. Fast mannshohe Schilder mit der Aufschrift »Policia«.
Die erste Straßensperre.
Sie werden durchgewinkt.
Dann stecken sie mitten in einer Demonstration.
Menschen, so weit er sehen kann.
Parolen. Lachende Gesichter.
Gott sei Dank wissen sie nicht, dass ihr Hauptfeind mitten unter ihnen ist.
Kein Durchkommen.
Der Konvoi steht.
Berger schwitzt.
Crommschröder ist kampfeslustig.
Scheiß Gebrauchswert. Ich brauche das Geld aus dieser Stadt.
15 Prozent!
Er sieht Landmanns Visage vor sich. Riecht die Pestilenz: Das ist jetzt Ihr Alpha und Ihr Omega.
Dann stoppt die Menge. Strömt zurück. Sie schieben. Crommschröder sieht einige stürzen. Andere laufen über die Fallenden hinweg.
Selbst im Wagen kann man es hören: Schüsse. Die Menschen laufen, schieben, flüchten, wollen nur noch weg. Crommschröder sitzt
im klimatisierten Mercedes und sieht ihnen interessiert zu.
Im Hotel findet die erste Besprechung statt.
»Wir haben die ganze Region gegen uns«, sagt Berger.
»Die Frauen sind es hauptsächlich«, sagt ein Mitarbeiter, dessen Namen Crommschröder nicht kennt.
Er sieht zum Fenster hinaus. Die Demonstranten drängen wieder in die Gegenrichtung. Die Schüsse haben sie nicht aufhalten
können.
Ein Massaker, denkt Crommschröder, das würde helfen.
Besprechung mit dem deutschen Entwicklungshelfer. Ein einziges Jammern.
Crommschröder ist wütend. Keinen von denen wird er einstellen.
Berger hat einen Regierungsbeamten an der Strippe.
Termin in der Hauptstadt. Beim Präsidenten. Schnell.
Zurück in den Wagen. Eine Stunde später sind sie in La Paz.
Crommschröder kommt alles unwirklich vor.
Berger schwitzt immer noch.
Der Konvoi trifft vor dem Regierungspalast ein.
Der Präsident sei verhindert, sagt ein Beamter. Aber die bolivianische Regierung sehe sich gezwungen, den Vertrag zu kündigen.
In einer Stunde wird der Präsident dies öffentlich mitteilen.
Crommschröder
Weitere Kostenlose Bücher