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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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steil über die Stadt hinweg aufwuchsen wie rankender Wein. Ganz Aei war von Streifen Brachland durchzogen, um den Bürgern in der Stadt Erleichterung zu verschaffen, doch die wilden Streifen in der Altstadt verliefen fast senkrecht hinauf und hinunter: Unkraut und verknotete Büsche und kleine gestutzte Bäume, die in Spalten und Vorsprüngen der Außenmauern wurzelten, voll von struppigen, flinken Wesen – einige wie Ziegen, andere wie Eichhörnchen –, die da in würdiger Stille von Hügel zu Hügel sprangen, verfolgt von kleinen, wimmernden Raubtieren mit nadelspitzen Zähnen und permanentem entschuldigendem Grinsen. Es war ein Ort mit wenigen Geschäften oder offener Aktivität. In der Altstadt gab es keine Läden oder Lager, wohl aber viele Verwaltungsbüros und Wohnhäuser. Es gab tagsüber zwei Straßenmärkte und entlang der Esplanade Stände, in denen Essen verkauft wurde, doch nur wenige Restaurants, die nach Einbruch der Dunkelheit noch geöffnet hatten, und keine Wirtshäuser oder Vergnügungsstätten wie in der Neustadt. Irgendwie war es in mancher Hinsicht ein Sperrgebiet. Jeder Cian konnte die Altstadt besuchen, aber nur den Mitgliedern einer der Tausend Familien war gestattet, dort zu wohnen. In der Neustadt sah man häufig Nulls, Klone oder genetisch veränderte Wesen auf den Straßen – die Cian verfügten über eine unendlich verfeinerte biologische Technologie, und ihre genetischen Chirurgen, die »Schneider«, produzierten sonderbare Wesen je nach Auftrag als eines der Hauptexportgüter Weinunnachs – aber sie durften nicht den Fuß in die Altstadt setzen. Außenweltler wie die Terraner durften als Besucher hinein, wurden aber nicht gern gesehen. Es war ein Ort, der vornehmlich aus Felsen und behauenem Obsidian bestand, verwebt mit Holz, Eisen, Glas und Schiefer. Die vorherrschenden Farben waren Schwarz und Silber, mit ein paar Schiefergrau- und Rottönen dazwischen und zuweilen einem auffallenden Fleck Orange oder Erdbraun. Es roch nach sauberem, kahlen Felsen, Ozon und Meerluft, mit einem Unterton von Moschus. Es gab nur wenige laute Geräusche, doch die Stille vibrierte – als ob Millionen von Stimmen ein wenig zu leise summten, um noch vernommen zu werden. Die Atmosphäre in der Altstadt schwankte auf dem Grat zwischen »düster« und »ehrwürdig«.
    Heute erschien sie Farber düster. Er nahm die Zahnradbahn hinauf, ging am Rand der Klippe über die Esplanade, stieg eine Treppe hinauf, durch ein Gäßchen, durch einen Tunnel, eine weitere Treppe, durch noch ein Gäßchen, drang immer tiefer und höher in die Altstadt vor. Schließlich war er so tief drinnen, daß er nur noch gelegentlich Feuerfrau sah, entfernt blickte sie über das Gewühl hoher Dächer in die schmalen Wohnbezirke und Durchgänge. Alles lag nun in ein schwebendes Halblicht getaucht, und er ging weiter, durch abwechselnde Streifen hellen, verhangenen Lichtscheins und Schatten, die so tief waren, daß sie wie eine schwarzglänzende feste Masse wirkten. Er fühlte sich wie ein Wurm, der sich durch schwarzen Felsen und nasse Erde windet, bis er an eine Treppe gelangte, die hinaufführte über das Kuppeldach eines Gebäudes auf der unteren Ebene, schwindelerregend und sonnengeblendet, mit einem steilen, ungesicherten Abfall auf der einen Seite. Dort fühlte er sich wie ein Insekt, das über einen nackten Bergrücken krabbelt. Jacawens Büro lag in der Nähe in einem Gebäude, das wie ein Giebel aus der Masse der anderen Häuser vorsprang. Die Fenster öffneten sich nur zu Luft und Ferne.
    Jacawens Erbsohn, Mordana, geleitete Farber hinein. Er war ein hochgewachsener, schweigsamer junger Mann mit einem Gesicht wie ein zorniger Engel, voller Stolz und Verachtung, entrückt und gutgeschnitten. Er bewegte sich wie ein Tiger, wie ein Krieger, der zur Schlacht gleitet. Seine Augen glitzerten von einer tödlichen Intelligenz und einer fast fanatischen Intensität. Es war offensichtlich, daß er Farber auf den ersten Blick nicht mochte, daß Farbers bloße Existenz irgendwie eine Beleidigung seiner Vorstellung vom Universum darstellte. Mit steifem, verschlossenem Gesicht, wie jemand, der einen üblen Geruch wahrnimmt, brachte er Farber ins Büroinnere und verschwand rasch.
    »Setzen Sie sich, Farber«, begrüßte ihn Jacawen.
    Farber setzte sich. Der Boden war hier mit einem Teppich bedeckt, der wie ein fahler Pilz wirkte, und man versank darin wie in einem Kissen. Jacawen saß ein paar Schritte entfernt auf einem niedrigen

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