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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Corley übernommen hatte, doch aus irgendeinem unerklärlichen, sentimentalen Grund betrachtete sie ihn als ihr Eigentum.
    »Ist Sebastian noch nicht eingetroffen?«, fragte Louisa.
    »Nein, noch nicht«, sagte Daphne. »Er kommt erst nach dem Dinner.«
    »Wir haben so viel zu besprechen«, sagte Louisa mit lebhafter Ungeduld.
    »Ah, Mama …« Dudley ging ihr entgegen, als wollte er ihr einen Kuss geben, blieb aber ein paar Schritte vor ihr breit grinsend stehen.
    »Guten Abend, mein Lieber. Du hast gewusst, dass ich heute Abend herunterkomme.«
    »Ich habe es jedenfalls gehofft, Mama. Was möchtest du trinken?«
    »Ich glaube, ich nehme eine Limonade. Es ist ja heute richtig frühlingshaft!«
    »Ja, nicht?«, sagte Dudley. »Das sollten wir feiern.«
    Louisa stieß ihr trockenes Lachen aus, mit dem sie seinen Sarkasmus teils absorbierte, teils umleitete, und sah zur Seite. Ihr Blick verweilte kurz auf Mrs Rileys Beinen, wechselte dann, zur Beruhigung, zu Daphnes, und ihre Miene, von Natur aus wenig taktvoll, schien wie versteinert für Sekunden, in denen sie sich eine »Bemerkung« zurechtlegte und sie sich dann doch verkniff. Sie stand, möglicherweise absichtlich, unter ihrem eigenen Porträt, das »Bemerkungen« eigentlich überflüssig machte. In diesem Haus hatte sie vierzig Jahre lang geherrscht. Jetzt schien ihre Stirn eingefallener, das Kinn spitzer. Ihr Haar hatte sich von Rotbraun zu Grau verfärbt, das Kleid von Rot zum unvermeidlichen Schwarz. Jedes Mal, wenn sie »herunterkam« von ihren paar Räumen, die sie seit einigen Jahren bewohnte und wo sie häufig allein speiste, bewegte sie sich mit einer spürbar erschütterten Dignität, die durch die sonnigen Momente aus Schauspielerei, die sie begleiteten, nur umso deutlicher zutage trat. »Sie haben wirklich großes Geschick bewiesen, meine Liebe«, sagte sie zu Mrs Riley, »Sie haben dieses Zimmer bis zur Unkenntlichkeit verändert«, im Augenwinkel das abstrakte Gemälde, welches sie bis jetzt geflissentlich nicht zur Kenntnis genommen hatte.
    »Oh, vielen Dank, Lady Valance«, sagte Eva nervös lächelnd.
    »Das hätte man überhaupt nicht erwartet«, sagte Clara mit ihrem unfreiwilligen, deutschen Hang zur Mehrdeutigkeit.
    Louisa schaute sich um. »Ich finde es wirklich äußerst erholsam«, sagte sie, als sei Erholsamkeit eine Eigenschaft, auf die sie besonderen Wert legte.
    »Das ist noch lange nicht alles«, sagte Dudley, der mit ihrem Lieblingsgetränk auf sie zutorkelte. »Wir werden das Haus noch aufhellen.«
    »Um die Bibliothek täte es mir leid«, sagte Louisa.
    »Ein Wort, Mama, und die Bibliothek wird verschont. Soll sie ihre urige Düsternis ruhig behalten.«
    »Mal sehen …« Sie trank einen Schluck Limonade und lächelte verkniffen, als freute sie sich an ihrer guten Laune. »Und was wird aus der Halle?«
    »Also, die Halle … Ich glaube, Mrs Riley hat speziell den Kamin im Visier.«
    »Nicht den Kamin!«, rief Freda fast außer sich. »Die Kinder lieben diesen Kamin heiß und innig.«
    »Man muss schon ein Kind sein, um diesen Kamin zu lieben«, sagte Eva Riley.
    »In dem Fall muss ich wohl ein Kind sein«, sagte Freda.
    »Und ich das Kind eines Kindes«, sagte Daphne, »ein Säugling!«
    Dudley blickte mit aufflammendem Ärger in die Runde der Frauen, erholte sich jedoch umgehend wieder. »Es sind die besten Leute, die sich heute dieses viktorianischen Klimbims entledigen. Geh mal zu den Withers und sieh dir an, was die aus Badly Madly gemacht haben, Mama: den Glockenturm abgerissen und ein Schwimmbad von olympischen Ausmaßen an seine Stelle gebaut.«
    »Du meine Güte!«, sagte Louisa – was abwechselnd mit »Ach, du Schreck!« aus ihrem kleinen Repertoire an Zwischenrufen verwendet wurde und mit diesem mehr oder weniger austauschbar war.
    »Auf Madderleigh«, sagte Eva Riley, »haben sie sich schon vor Jahren ans Werk gemacht. Ich glaube, das Speisezimmer wurde irgendwann in den Achtzigern mit Platten verschalt.«
    »Siehst du! Selbst der Mann, der das Haus erbaut hat, konnte es nicht mehr ertragen«, sagte Dudley.
    »Dieses Haus wurde von deinem Großvater erbaut«, sagte Louisa. »Und der hat es geliebt.«
    »Ich weiß … Ein bisschen albern von ihm, findest du nicht?«
    »Du hattest eben nie etwas übrig für die Dinge, die dein Großvater in Ehren gehalten hat oder dein Vater, wenn wir schon dabei sind.« Sie sah sich selbstzufrieden um, als müssten alle anderen der gleichen Meinung sein.
    »Du irrst, Mutter«, sagte

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