Fremden Kind
Dudley. »Ich liebe Kühe und Rotwein.«
»Wollen Sie sich nicht setzen, Louisa?«, sagte Freda herzlich und klopfte sanft auf die ausladenden prallen Kissen. Daphne wusste, dass ihr das freimütige Reden, das seit Sir Edwins Tod auf Corley Einzug gehalten hatte, verhasst war, diese ständigen Duelle, gegen die sie sich selbst frühzeitig gewappnet hatte.
»Ich ziehe harte Stühle vor, meine Liebe«, entgegnete Louisa. »Sessel sind mir irgendwie zu weibisch.« Sie seufzte. »Was Cecil wohl zu den ganzen Veränderungen gesagt hätte?«
»Hmm, was wohl?«, sagte Dudley, sich abwendend, und dann scherzhaft, als hoffte er, dass man ihn nicht verstand: »Du kannst ihn ja das nächste Mal fragen, wenn du wieder Kontakt mit ihm aufnimmst.«
Daphnes entsetzter Blick huschte zu Louisa; es war nicht zu erkennen, ob sie Dudley gehört hatte, der stumm lachend nickte; und mit grimmiger Entschlossenheit fuhr seine Mutter fort: »Cecil hatte einen ausgeprägten Sinn für Tradition, wenigstens hat er niemals etwas getan, was unter seiner Würde gewesen wäre …« Im selben Moment flog die Tür auf, und das Kindermädchen stand im Raum, die Hände auf den Schul tern der Kinder. Sie hielt sie fest an sich gedrückt, vielleicht ein klein wenig zu lange; ein Tableau, das seine Wirkung nicht verfehlte. »Da wären wir!«, sagte sie. Wenn Granny Sawle zu Besuch war, wurden die Kinder um sechs Uhr in den Salon geschickt, zwischen Abendbrot und Schlafenszeit. Wilfrid riss sich los, um seine Oma mit einer tiefen Verbeugung, seinem neuesten Kunststückchen, zu begrüßen, während Corinna, die Hände auf dem Rücken verschränkt, zum Kamin schritt, als wollte sie eine ihrer Ankündigungen machen. Beide spähten in einem geeigneten Moment zu ihrem Vater, doch Dudleys Aufgekratztheit blieb dadurch unbeeinträchtigt.
»Sagt Mrs Riley Guten Tag.«
»Guten Tag, Mrs Riley«, sagten die Kinder brav, ohne jede Wärme.
»Meine Schätzchen …«, setzte Mrs Riley über ihr Cocktailglas hinweg an.
Wilfrid lief höflich die Runde ab, um sich auch vor Granny V zu verbeugen, die argwöhnisch ein »Da sieh einer an!« von sich gab, als hechelnd und mit wedelndem Schwanz gegen Sessel und Tischbeine schlagend Rubbish durch die geöffnete Gartentür in den Raum gestürmt kam und aufgeregt seinen Herrn umkreiste.
»Oh, nein, den Hund bitte nicht ins Haus lassen!«, sagte Daphne in heller Panik. Freda hielt ihr Glas in sicherer Entfernung vor der stupsenden Hundeschnauze und wandte sich angewidert von dem heißen fauligen Atem des Tiers ab. Daphne stand auf, um ihn zu packen, doch Dudley knurrte nachsichtig und lockend: »Na, Wubbishy, Wubbishy, Wubbish!«, hatte bereits von irgendwoher einen der steinharten Biskuits, die Rubbish angeblich gerne fraß, hervorgezaubert, lockte ihn damit und warf ihn dann in die Luft – ohne zu zerbrechen landete er wieder auf dem Boden. Clara war noch immer nervös wegen des Hundes und lächelte demonstrativ, als hätte sie keine Angst. Sie verbarg ihre Scheu hinter einem Gebärdenspiel, streckte in kindlicher Unterwerfung eine Hand aus, doch hatte sie keinen Biskuit anzubieten, und Rubbish stolzierte an ihr vorbei, als wäre sie Luft.
Corinna hatte sich diskret, aber zielstrebig dem Klavier genähert, lehnte nun an der Stuhlkante und beobachtete ihren Vater, um einen günstigen Moment abzupassen. »Du willst uns doch nicht etwa was vorspielen, altes Mädchen, oder?«, kam Dudley ihr zuvor.
»Oh«, sagte Eva und stieß stotternd ihre nächste Rauchwolke aus, »kann sie Klavier spielen?«
»Spielen? Sie ist eine wahre Furie an den Tasten«, sagte Dudley. »Habe ich nicht recht, Darling?« Corinna lächelte verlegen.
»Ich spiele morgen für euch.«
»Gute Idee. Spiel für Onkel George«, sagte Dudley, der seinen eigenen Sarkasmus sowie das Thema bereits satthatte.
»Und Wilfie kann seinen Tanz aufführen«, erinnerte Corinna ihren Vater an die Bedingungen der Abmachung.
»Ja, genau …«, gab Dudley nach etwa einer Minute von sich.
Louisa, noch immer auf Eva fixiert, sagte: »Mögen Sie eigentlich Musik, Mrs Riley?«
Mrs Riley lächelte ihr zur Einstimmung auf die Antwort ins Gesicht. »Oh ja, schrecklich gern, jedenfalls bestimmte Musik.«
»Was für Musik? Gounod und Konsorten?«
»Nein, Gounod nicht gerade …«
»Bei Gounod hört der Spaß auf, finde ich.«
»Na, Wilfie«, räusperte sich Dudley laut, als wolle er seinen Sohn ermahnen, fuhr dann aber fort: »Kennst du schon den mit dem Oberst und der
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