Fremden Kind
zurecht gemacht wie eine chinesische Puppe, in Rot, Weiß und Schwarz. Designer waren offenbar nie außer Dienst. Bequem in einer Sofaecke lümmelnd, mit übereinandergeschlagenen Beinen, den Halsschmuck dekorativ über die grauen Kissen drapiert, wirkte Mrs Riley wie eine Werbeanzeige für den von ihr eingerichteten Raum oder der Raum wie eine Werbeanzeige für sie. »Ich weiß, dass dieses Wochenende Cecil geweiht ist«, sagte Daphne, »aber ich bin froh, dass Clara überredet werden konnte zu kommen. Sie hat wirklich niemanden, außer meiner Mutter. Es bedeutet ihr viel. Die arme Frau hat nicht mal elektrischen Strom.«
Dudley schnaubte entzückt. »Dann muss es ja hier für sie umso elektrisierender sein«, sagte er.
Daphne lächelte und fuhr fort: »Es ist eigentlich eine Bruchbude, in der sie haust. Ich meine, sie ist sauber, das schon, aber sehr klein und duster. Gleich unterhalb des Hangs, wo meine Mutter früher gewohnt hat.«
»Und wo du aufgewachsen bist, Duffel«, sagte Dudley, als wollte er seine Frau vom hohen Ross holen. »Die berühmten ›Two Acres‹.«
»Ach ja, richtig«, sagte Mrs Riley. »Wie geht es doch gleich? ›Zwei gesegnete Morgen von englischem Grund‹!«
»Allerdings!«, sagte Dudley.
»Das war doch Cecils berühmtestes Gedicht, oder?«, sagte Mrs Riley.
»Ich weiß nicht …«, sagte Daphne wieder mit einem Stirnrunzeln. Vielleicht hatten Mrs Rileys lange nackte Beine ja doch etwas Beruhigendes. Eine kluge Frau, die darauf abzielte, einen reichen Mann vor den Augen seiner eigenen Frau zu verführen, würde etwas Diskreteres tragen, etwas, was ihre Absicht verschleierte. Daphne schaute zur Seite, durchs Fenster hinaus in den Garten, der an diesem Frühjahrsabend bereits an Farbe verlor. Am oberen Rand des Mittelteils eines jeden Fensters war das Wappen der Valances eingelassen, auf einem Zierband darunter in gotischer Schrift das Motto. Munter hielten die protzigen kleinen Schilde gegen die kalte Modernität des Raums an.
Dudley trank andächtig von seinem Cocktail und sagte: »Wenn ich daran denke, dass mein Bruder Cecil, Erbe eines Baronets und von dreitausend Morgen Land, von einem der hässlichsten Häuser Südenglands ganz zu schweigen, den meisten Menschen für seine Ode an einen Vorstadtgarten in Erinnerung bleiben wird, schäme ich mich doch ein bisschen.«
»Es war eben ein ausnehmend hübscher Garten«, hielt Daphne tapfer und nicht zum ersten Mal dagegen. »Ich hoffe, du sagst solche Sachen nicht auch zu Sebby Stokes.« Sie sah Mrs Riley an, die sie beide mit ihrem Schlafzimmerblick bedachte. »Oder gar zu meiner Mutter. Sie ist sehr stolz auf das Gedicht. Außerdem hat Cecil über Corley noch viel mehr Gedichte geschrieben, Unmengen, wie du weißt.«
»›Exotischer Träume herrlicher Dom‹«, hob Dudley über trieben theatralisch an, »›sich spiegelnd im azurblauen Strom …‹« Es klang haargenau wie Cecils Dichterstimme.
»So etwas Grauenvolles hätte nicht mal Cecil fabriziert«, sagte Daphne. Dudley, den jeder Spott über das, was anderen lieb und teuer war, reizte, grinste Eva Riley breit an und bleck te blitzartig seine glitzernden Eckzähne. Mrs Riley drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus und sagte sehr ruhig: »Ich bin erstaunt, dass Ihre Mutter nicht noch mal geheiratet hat.«
»Der General? Um Gottes willen!«, sagte Dudley.
»Nein. Lady Valances Mutter«, sagte Eva Riley.
»Es hat sich einfach nie ergeben. Dabei bin ich mir nicht einmal sicher, ob sie überhaupt gewollt hätte«, sagte Daphne und unterdrückte, gewissermaßen aus angegriffener Würde, ihre eigenen unangenehmen Gedanken zu diesem Thema.
»Sie ist ein bezauberndes Persönchen. Und sie muss ziemlich jung Witwe geworden sein.«
»Ja. Ja, das ist richtig«, sagte Daphne abwesend, aber bestimmt und sah flehentlich zu Dudley, er möge das Thema wechseln. Dudley zündete sich eine Zigarette an und stellte einen schweren Silberaschenbecher auf die Sessellehne. Er ge hörte zu den über hundert Gegenständen, auf deren Rückseite er den Schriftzug Gestohlen aus Corley Court hatte eingravie ren lassen. Oben in seinem Ankleideraum bewahrte er einen nicht besonders wertvollen Zinnbecher auf, mit der einladenden Gravur Gestohlen aus Hepton Castle auf der Unterseite. Diese Praxis hatte er in Corley beibehalten und die Arbeit mit grimmiger Entschlossenheit persönlich überwacht.
»Für wann hat sich das Stöckchen angemeldet?«, fragte er nach einer Weile.
»Später, nach dem
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