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Fremden Kind

Fremden Kind

Titel: Fremden Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Hollinghurst
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Dinner«, sagte Daphne.
    »Dann muss er ja wohl etwas ganz außerordentlich Wichtiges vorhaben«, sagte Dudley.
    »Es findet eine wichtige Sitzung statt. Du weißt schon, es geht um die Bergarbeiter«, sagte Daphne.
    »Sie kennen Sebastian Stokes nicht«, sagte Dudley zu Mrs Riley. »In ihm verbindet sich große literarische Sensibilität mit einem scharfen politischen Verstand.«
    »Gehört habe ich natürlich schon von ihm«, sagte Mrs Riley mit angemessener Vorsicht. In Dudleys Rede ging Offenheit so eng einher mit Ironie, dass Nichteingeweihte über seine Äußerungen häufig nur dumm gucken und verlegen lachen konnten. Mrs Riley beugte sich vor und nahm eine neue Zigarette aus der Malachitschachtel auf dem Couchtisch.
    »Stokes weiß mit den Bergarbeitern richtig umzugehen, da kann man beruhigt schlafen«, sagte Dudley.
    »Ich schlafe auch so wie ein Murmeltier«, sagte sie vorlaut und fummelte mit einem Streichholz herum.
    Daphne trank zum Aufwärmen einen Schluck Gin und überlegte, was sie über die armen Bergarbeiter sagen könnte, das irgendeinen Sinn ergeben würde. »Ich finde es einfach fabelhaft von ihm, dass er das alles für Cecil macht, gerade jetzt, wo der Premierminister ihn dringend in London braucht.«
    »Er hat Cecil ja auch vergöttert«, sagte Dudley, und an Mrs Riley gewandt: »Sie müssen wissen, er hat in der Times einen Nachruf auf ihn geschrieben.«
    »Ach, tatsächlich?«, sagte Mrs Riley, als hätte sie ihn gelesen und sich schon gefragt, wer der Verfasser sei.
    »Er hat es dem General zuliebe getan, aber es war ihm ein Herzensanliegen. ›Ein Soldat … ein Gelehrter … ein Dichter … etc. pp. … und ein Gentleman‹!« Mit einer abrupten, beängstigend überschwänglichen Geste kippte Dudley seinen Drink hinunter. »Eine wundervolle Verabschiedung, wohl wahr, nur hat keiner, der meinen Bruder Cecil wirklich gekannt hat, ihn darin wiedergefunden.«
    »Dann hat er ihn also auch nicht richtig gekannt«, tastete sich Mrs Riley mit sichtlichem Vergnügen an der verräterischen Wendung des Gesprächs weiter behutsam vor.
    »Ach, sie haben sich ein paarmal getroffen. Einer von Cecils warmen Freunden hatte ihn nach Cambridge eingeladen. Sie haben eine Fahrt in einem Stechkahn unternommen, und Cecil hat ihm ein Sonett vorgetragen. Das Stöckchen war hin und weg und hat es dann in einer Zeitschrift veröffentlicht, worauf Cecil ihm ein paar hochtrabende Briefe geschrieben hat, die er später, nach Cecils Tod, in der Times abgedruckt hat …« Dudley schien am Ende seiner Kräfte, starrte mit leicht hochgezogenen Augenbrauen ins Leere, als wäre er des Ganzen unsäglich überdrüssig.
    »Ich verstehe …«, sagte Mrs Riley kokett grinsend und sah Daphne an. »Sie sind Cecil wohl nie begegnet, Lady Valance, oder?«
    »Ich? Oh Gott! Doch, ja!«, sagte Daphne. »Ich kannte ihn sogar schon lange, bevor ich Dud zum ersten Mal traf …« In dem Moment wurde von Wilkes die Tür geöffnet, und Daphnes Mutter kam herein, zögerlich, da sie offenbar auf ihre Freundin wartete, die an ihren zwei Stöcken gemächlich die Halle durchquerte und durch ein oberflächliches Gespräch mit Dudleys Mutter, die forsch hinter Freda herschritt, abgelenkt war.
    »Mein Mann, darf ich wohl behaupten, mochte keine Musik«, sagte Louisa Valance. »Er hat sie nicht gehasst, damit Sie mich nicht falsch verstehen. Er war in vieler Hinsicht ein übergebührlich empfindsamer Mensch. Musik stimmte ihn traurig.«
    »Ja, Musik ist traurig«, sagte Clara, die etwas gequält aussah. »Aber ich glaube, sie ist auch …«
    »Kommen Sie herein, kommen Sie und setzen Sie sich«, sagte Daphne mit einem befreienden Lächeln über Claras schäbigen Glanz, das betagte schwarze Abendkleid, das unter den Achseln spannte, die alte schwarze Handtasche, die lange vor dem Krieg etliche Opern miterlebt hatte und jetzt am Stockgriff an der linken Hand baumelte, als die alte Dame ins Zimmer schaukelte. Der schottische Junge, in Frack und Kniebundhose hübsch zurechtgemacht wie ein Sänger, rückte einen Stuhl mit hoher Lehne für sie heran und stellte, nachdem sie sich niedergelassen hatte, die Stöcke daran ab. Eva und Dudley waren wie hypnotisiert von den Stöcken und sahen sie an wie grobschlächtige Relikte einer Kul tur, mit der sie aufgeräumt zu haben glaubten. Der Junge hielt sich diskret im Hintergrund, lächelte ebenfalls und agierte mit dem nötigen unpersönlichen Charme. Es war Wilkes erste Einstellung, seit Daphne das Regiment auf

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