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Fremder in einer fremden Welt

Fremder in einer fremden Welt

Titel: Fremder in einer fremden Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Heinlein
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sprach die Nachbildung von La Bella Heaulmiere an. »Hör nicht zu, ma petite chere - er ist ein Barbar und weiß es nicht besser.« Er legte die Hand an ihre schöne verwüstete Wange, dann berührte er zart eine leere, eingefallene Brust. »Ich weiß, was du empfindest. es kann nicht mehr lange dauern. Geduld, meine Süße.«
    Er drehte sich zu Caxton um und sagte scharf: »Ben, du wirst mit deinem Anliegen warten müssen, bis ich dir eine Lektion im Betrachten von Skulpturen gegeben habe - obwohl das wahrscheinlich genauso sinnlos ist, wie einem Hund das Geigen beibringen zu wollen. Du bist unhöflich zu einer Dame gewesen. Das dulde ich nicht.«
    »Wie bitte? Sei nicht albern, Jubal. Du bist ein dutzendmal am Tag unhöflich zu Damen, und zwar zu lebendigen. Du weißt, was ich meine.«
    Jubal brüllte: »Anne! Komm nach oben! In deiner Robe!«
    »Du weißt, zu der alten Frau, die dafür Modell gestanden hat, würde ich nicht unhöflich sein«, verteidigte sich Ben. »Was ich nicht verstehe, ist, wie ein sogenannter Künstler die Frechheit haben kann, die Urgroßmutter eines Menschen im Evaskostüm zu porträtieren. - und wie du den schlechten Geschmack haben kannst, sie in deiner Wohnung aufzustellen.«
    Anne trat in ihrer Robe ein. Jubal fragte: »Anne, bin ich jemals unhöflich zu dir gewesen? Oder zu einem von den Mädchen?«
    »Das ist Ansichtssache.«
    »Das ist, wonach ich frage. Du sollst keine Zeugenaussage vor Gericht machen.«
    »Du bist niemals zu einer von uns unhöflich gewesen, Jubal.«
    »Hast du je erlebt, daß ich zu einer Dame unhöflich war?«
    »Ich habe erlebt, wie du mit Absicht unhöflich zu einer Frau warst. Ich habe nie erlebt, wie du zu einer Dame unhöflich warst.«
    »Das ist alles. Nein, noch eine weitere Aussage. Was hältst du von dieser Bronze?«
    Anne sah zu Rodins Meisterwerk hin und erklärte bedächtig: »Als ich sie das erste Mal sah, fand ich sie gräßlich. Aber ich bin zu dem Schluß gekommen, daß es der schönste Gegenstand sein mag, den ich je gesehen habe.«
    »Danke. Das ist alles.« Sie ging. »Willst du dem widersprechen, Ben?«
    »Wie? Sollte ich Anne jemals widersprechen, werde ich mich an demselben Tag in meinem Anzug umdrehen. Aber ich groke es nicht.«
    »Hör mir zu, Ben! Jeder kann ein hübsches Mädchen ansehen. Ein Künstler kann ein hübsches Mädchen ansehen und die alte Frau erkennen, die sie werden wird. Ein besserer Künstler kann eine alte Frau ansehen und das hübsche Mädchen erkennen, das sie einmal war. Ein großer Künstler kann eine alte Frau ansehen, sie genauso porträtieren, wie sie ist und den Betrachter zwingen, das hübsche Mädchen zu erkennen, das sie einmal war. mehr als das, er kann jeden, der auch nur die Empfindsamkeit eines Gürteltiers hat (also auch dich) zwingen, zu erkennen, daß dieses reizende junge Mädchen immer noch lebt, gefangen in ihrem ruinierten Körper. Er läßt einen die stille, endlose Tragödie miterleben, daß nie ein Mädchen geboren wurde, das in seinem Herzen jemals älter als achtzehn geworden ist. ganz gleich, was die erbarmungslose Zeit getan hat. Sieh sie dir an, Ben. Altwerden spielt für dich und mich keine Rolle - aber für sie. Sieh sie dir an!«
    Ben betrachtete die Skulptur. Schließlich sagte Jubal barsch: »Na gut, putz dir die Nase und wisch dir die Augen - sie akzeptiert deine Entschuldigung. Komm, setz dich! Das reicht für die erste Stunde.«
    »Nein«, antwortete Caxton. »Was ist mit dieser hier? Ich sehe, daß es ein Mädchen ist. Warum ist sie verschlungen worden wie eine Brezel?«
    Jubal sah zu der Nachbildung der >Karyatide, die unter ihrem Stein zusammengebrochen ist<, hin. Er lächelte. »Nenn es eine Tour de force in Einfühlungsvermögen, Ben. Ich erwarte nicht von dir, daß du die Massen zu würdigen verstehst, die aus dieser Figur viel mehr als eine >Brezel< machen - aber du wirst würdigen können, was Rodin damit sagt. Was haben die Leute davon, ein Kruzifix anzusehen?«
    »Du weißt, ich gehe nicht zur Kirche.«
    »Trotzdem mußt du wissen, daß Darstellungen der Kreuzigung für gewöhnlich grauenhaft sind - und die in den Kirchen sind die schlimmsten. Blut wie Ketchup und dieser Ex-Zimmermann porträtiert, als sei Er ein Schwuler. was Er bestimmt nicht war. Er war ein energischer Mann, muskulös und gesund. wenn in den vier Evangelien auch nur ein Funke Wahrheit steckt. Aber obwohl die meisten Darstellungen der Kreuzigung überaus armselig sind, wirken sie auf die Menschen nicht

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