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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Überall verschmierte Gewebeproben, demoliertes
Gerät, verbogene Kupferdrähte, verschüttete
Flüssigkeiten, umgekippte Wroffgefäße und
zerschmissene Linsen aus Glas, das Ayrid hergestellt hatte,
geschliffen von Lahab, dem jelitischen Handwerker. Selbst die
Wände waren besudelt, und vom Boden grinste der augenlose,
zertrümmerte Kopf eines Krihundes, Blut und Eingeweide quollen
aus seinem entstellten Kadaver. Und mitten in der Verwüstung,
die linke Gesichtshälfte voller violetter Prellungen, mit einem
linken Arm, von dem das Blut troff, stand Lahab stocksteif da,
derweil Dahar, der mit dem Rücken zur Tür stand, vorsichtig
das linke Augenlid des Verletzten untersuchte. Außer den beiden
war nur noch Grax im Raum; er kam sofort auf Ayrid zu.
    »Keine Gefahr«, sagte er. »Alle pathogenen
Bakterien, die wir studieren, wurden gestern abend in Wroff
eingekapselt.« Er zeigte auf den besudelten Boden vor Ayrids
Stuhl. Da lag ein Kubus aus durchsichtigem Wroff, in dem sich vier
Phiolen befanden; alle vier waren teilweise ausgelaufen, und der
Inhalt verschlierte die Innenseite des Kubus.
    »Wer?« sagte Ayrid mit gepreßter Stimme.
    Beim Klang ihrer Stimme sah Dahar über die Schulter, und sein
Gesicht zeugte davon, wie aufgewühlt er innerlich war und welche
Kraft es ihn kostete, sich zu beherrschen; sie hatte den unheimlichen
Eindruck, als sähen die dunklen jelitischen Augen durch sie
hindurch.
    Grax antwortete: »Es waren drei Menschen, zwei Männer
und eine Frau.«
    »Wie sind sie hier reingekommen?« fragte Ayrid. Das
Daumenschloß sprach nur auf die sechs an, die sich hier
täglich mit Grax zusammenfanden.
    »Lahab war schon früh hier heute morgen«, sagte
Grax. »Er hat die Tür aufgelassen und an seinen Linsen
geschliffen. Sie liefen in den Raum und haben alles zerstört.
Als ich dazukam, habe ich sie fortgeschickt.«
    Ayrid hielt den Atem an; sie war bestürzt, und sie hatte
Angst. Sie gab sich einen Ruck. »Menschen - Delysier oder
Jeliten?«
    »Jeliten«, sagte Grax samtweich. »Es stört
sie, daß Lahab hierherkommt. Ich habe sie daran erinnert, was
Belasir in Harmonie mit ihnen gesungen hat.«
    Ayrid bemerkte, wie sich Dahars Schultern beim Namen der
Oberkommandierenden strafften. Sie sagte: »Und du hast sie
einfach fortgeschickt…«
    »Ja.«
    Es war unsinnig zu fragen, wie er das gemacht hatte. Wenn Geds
wollten, daß sich jemand entfernte, dann wurde er entfernt. Sie
entsann sich, wie blitzschnell sich diese Wroffwände gebildet
hatten, um sie, SaSa und Dahar von dem todkranken Riesen zu trennen,
und wie sie zuletzt mit sanfter Gewalt von der Wroffnische nach
draußen geschubst worden war.
    Hinter ihr kam es zu Lauten der Bestürzung; die übrigen
drei, alle Delysier, waren zusammen angekommen. Ilabor, der Soldat,
zog seine Waffe und schob sich Schulter voran in den Raum und blieb
mit dem Rücken an der Wand stehen. Tey, der kleine Händler
mit der melodischen Stimme und den Augen, die an glänzende
Perlen erinnerten, verschaffte sich rasch einen Überblick und
sah plötzlich nachdenklich aus. Krijin, die blutjunge
Gemmenschnitzerin, die seit kurzem ihr Lager mit ihm teilte,
versuchte erst gar nicht, ihre Angst zu verbergen.
    Grax wiederholte Wort für Wort seine aufreizend ruhige
Darstellung des Vorfalls. Tey ging zu Lahab und Dahar hinüber.
»Ist dein Bürger schlimm verletzt, Heiler?«
    Ayrid spürte förmlich, wie Dahar sich versteifte. Tey
war der einzige Delysier, der es sich herausnahm, Dahar offen
anzureden, und wann immer er es tat, hörte man ihm das stille
Vergnügen an, mit dem er einen geschaßten jelitischen
Krieger wie seinesgleichen behandelte. Oft begegnete er Dahar sogar
mit einem Lächeln und schien sich nichts daraus zu machen, wenn
Dahar, ohne eine Miene zu verziehen, zurückstarrte. Ilabor
hingegen tat, als sei Dahar Luft für ihn. Und Krijin? Sie zeigte
ein lebhaftes Interesse an der Biologie und half Dahar oft
stundenlang bei der Arbeit, ohne ihn auch nur ein einziges Mal
anzusehen. Wenn Ayrid nicht alles täuschte, dann war es Lahab,
der zweite Jelite in der Gruppe, unter dem Dahar am meisten litt. Der
wortkarge, grob geschnitzte Handwerker, den so schnell nichts aus der
Ruhe brachte, hatte ein zu schlichtes Gemüt für
irgendwelche Anspielungen und begegnete Dahar nach wie vor mit der
Ehrerbietung, die ein jelitischer Bürger einem hochrangigen
Krieger zollt.
    Aber was Dahars Innenleben betraf, so war Ayrid natürlich auf
Vermutungen angewiesen, denn sie und Dahar

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