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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Ende des Jahres nachbauen konnten – Kugelrohr
und Dreikugel –, tödlicher waren als die anderen.
    Karim war im Laufe der zwei Zehnzyklen, die seit der Bildung des
Krihundspakts verstrichen waren, schweigsamer und verdrossener
geworden; manchmal verbrachte er einen ganzen Abend damit, seine
Waffen zu säubern, derweil Ondur mit Ayrid schwatzte und eine
verzweifelte Heiterkeit zur Schau trug.
    Durch den südlichen Torbogen kam eine Soldatin in die Halle.
Als sie Ayrid erblickte, zog sie die Oberlippe hoch. Karim starrte
sie an, bis sie die Augen niederschlug.
    »Ich gehe mit dir zu deinem Unterricht«, sagte er.
    »Das ist nicht nötig«, sagte Ayrid.
    »Laß ihn mitgehen«, sagte Ondur. »Es ist
wieder ein Delysier an dieser Krätze erkrankt.«
    »Wer?«
    »Arquam, ein Soldat in der Nachbarhalle. Heute
nacht.«
    »Woher weißt du das?« fragte Ayrid. Ondur
wußte immer solche Sachen; man munkelte, daß selbst
Khalid zu ihr kam, um sich auf dem laufenden zu halten.
    Ayrid hatte sie nie darauf angesprochen, dafür hatte Ondur
sie nie danach gefragt, was die sechs Menschen und Grax in der
Unterrichtshalle trieben. Ayrid verstand. Zuviel Neugier konnte die
zerbrechliche Freundschaft zerstören.
    »Welche Symptome zeigt er?« fragte sie.
    »Du sprichst wie ein Heiler«, sagte Karim mürrisch.
Ayrid wurde rot. Sie stellte auch Karim keine Fragen.
    »Dieselben wie bei den zwei anderen«, sagte Ondur.
»Rote Flecken, die gräßlich jucken und sich rasch
ausbreiten. Er kratzt sich fürchterlich. Seine Freundin hat
Angst, er kratzt sich die Augen aus. Laß Karim bis zur
Unterrichtshalle mitgehen, Ayrid.«
    »Wie soll Karim mich denn vor einer Krankheit schützen?
Sei mir nicht böse, Karim, aber ich…«
    »Ach, nun hör doch auf, Ayrid!« fiel Ondur ihr ins
Wort. »Woher sollen wir denn wissen, woher die Krankheit kommt?
Es fing an, als dich diese jelitischen Strauchdiebe überfallen
haben, und dann zieht dieser jelitische Kommandant, der die ganzen
widerlichen Drogen kennt und jetzt mit Hilfe der Geds wer weiß
was zusammenbraut, in die Unterrichtshalle ein. Eine Krankheit ist
einfach ein Gift – haben die Geds das nicht gesagt? Was, wenn
diese juckende Krankheit ein jelitisches Gift ist?«
    »Ein…«
    »Wie haben die Geds noch gesagt, Karim? Irgendwas mit Backen – Backternien, glaub ich. Und ich hab noch nichts
davon gehört, daß ein Jelite erkrankt wäre.«
    Karim sah Ondur an; Ondur errötete plötzlich und schlug
die Augen nieder, aber nicht bevor Ayrid seinen bohrenden Blick
gesehen hatte. Ondur hatte zuviel gesagt. Soweit sollte ich nicht
eingeweiht werden. Ayrid war speiübel zumute. Aber nur
für einen Augenblick, denn Karims Argwohn leuchtete ihr ein.
Jeden Tag pilgerte sie, ohne sich um das Murren und Munkeln in ihrer
Halle zu kümmern, zum Unterricht und befaßte sich dort mit
Sachen, von denen nur die wenigsten eine Ahnung hatten. Und sie traf
sich dort mit einem Ged, der die Delysier Tag und Nacht ausspioniert
hatte, und mit zwei Jeliten, den Erzfeinden Delysias. Sie bewegte
sich in einem Gedstuhl durch R’Frow, den viele – trotz der
unübersehbaren Fähigkeiten der Geds – als bösen
Zauber betrachteten. Und da war SaSa.
    Was die Hure anbelangte, so empfanden nicht alle Delysier wie
Ondur. SaSa hatte, seit sich die Seelendroge in ihrem Blut verbraucht
hatte, noch kein Wort gesprochen. Sie aß, wusch sich, schlief
und folgte Ayrid auf Schritt und Tritt, doch in ihren dunklen Augen
stand die entsetzliche Leere verkohlter Häuser, die mitsamt
ihren Bewohnern ein Raub der Flammen geworden waren. Sie duldete
keine Berührung, nicht einmal von Ayrid. Zweimal hatte es jemand
versucht: Karim, der sie hatte stützen wollen, als sie die
Leiter hinunterstieg, und Ayrid, die ihr aus einer spontanen
Rührung heraus übers Haar hatte streicheln wollen. Beide
Male hatte SaSa um sich geschlagen, getreten und gebissen und mit
ihren langen, spitzen Fingernägeln gekratzt, und das alles, ohne
einen Laut von sich zu geben, mit einer Stummheit, die abschreckender
war als die grausame Wildheit ihres winzigen Körpers. Es gab
Delysier, die schon nervös genug waren und sich angesichts
dieser abartigen und unheimlichen Stummheit den Mund zerrissen und
SaSa scheele Blicke zuwarfen. Jelitin, war zu hören. Spionin.
    Ayrid hätte zu gerne gewußt, was man hinter
vorgehaltener Hand über sie redete. Oder über die drei
anderen Delysier – Ilabor, Tey und Krijin –, die tagaus,
tagein zur Unterrichtshalle

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