Fremdes Licht
dich, in der Unterrichtshalle zu wohnen.«
Grax baute ihr eine Brücke. Oder ihm? Er wußte
bestimmt, daß Dahar eine Nacht auf ihrem Zimmer verbracht
hatte; die glühenden Kreise im Korridor und an der Leiter waren
damals noch nicht verdeckt gewesen. Wußte Grax auch, wie
gefährlich das für sie beide gewesen war? Wußte
er… wußte der Himmel, was er wußte. Er machte keinen
Unterschied zwischen Delysiern und Jeliten, als spiele die Tatsache,
daß die beiden Stämme verfeindet waren, überhaupt
keine Rolle. Vielleicht spielte sie bei den Geds tatsächlich
keine Rolle. Aber sie hätte auch bei der Glasbläserei keine
Rolle spielen dürfen, dabei hatte diese Tatsache eine
wunderschöne rotblaue Glashelix zu glitzerndem Staub
zermalmt.
»Ayrid?« sagte Ilabor ungeduldig.
»Grax«, sagte Ayrid nachdenklich, »du sagst, Lahab
ist ganz früh heute morgen gekommen und hat diesen Raum
aufgeschlossen, weil er an seinen Linsen schleifen wollte. Du sagst,
diese Krieger hätten außer Lahab hier niemanden erwartet.
Aber dann bist du gekommen und hast ihn gerettet. Wieso warst du
rechtzeitig zur Stelle?«
Grax zeigte auf die Wand. Er benutzte den letzten von vier
Fingern, nicht den zweiten von fünf. »Du kennst die
Antwort. Dahar hat das Auge nicht zugedeckt, als wir gestern abend
hier gearbeitet haben. Die Geds konnten sehen, daß Lahab in Not
war.«
»Aber dann müßt ihr doch auch andere gesehen
haben, die in Not waren – die getötet wurden. Überall
in R’Frow sind solche glühenden Kreise, und damals waren
sie noch unbedeckt. Ihr müßt gesehen haben, wie der
delysische Schuster ums Leben kam – damit hat das ganze Morden
angefangen. Warum habt ihr euch nicht von Anfang an eingemischt?
Warum erst jetzt?«
Die anderen starrten sie an. Grax blieb eine Zeitlang stumm. Er
lauschte.
»Wir konnten nichts dagegen unternehmen, weil das alles viel
zu rasch geschah. Wir wären nicht rechtzeitig an Ort und Stelle
gewesen. Der Überfall auf Lahab geschah langsam. Die einzige
andere Gewalttat, die sich langsam abgespielt hat, war der
Überfall auf dich, Ayrid. Und bevor wir zur Stelle waren, hatte
dich die jelitische Frau namens Jehanna bereits gerettet.«
Das klang plausibel. Es war plausibel. Ayrid sah von einem
zum anderen. Ilabor, der Soldat, hatte plötzlich einen bohrenden
Blick bekommen, vermutlich, als er daran erinnert wurde, daß
ihr ausgerechnet eine jelitische Kriegerin geholfen hatte; und Dahars
dunkle Augen starrten sie nicht minder bohrend an, vermutlich, weil
sie Grax derart auf den Zahn fühlte.
»Ein Glück, daß du so schnell bei der Hand
warst«, sagte Tey zu Grax, »sonst hätten die Krihunde
wieder zu tun bekommen.«
Doch diesmal traf der Seitenhieb auf Dahar den Falschen; Ilabor,
der den Pakt, den Khalid geschlossen hatte, genauso haßte wie
Kelovar oder Karim, ging wütend auf ihn los. »Nimm dein
Schandmaul in acht, Händler, oder du wachst eines Morgens auf
und hast keine Zunge mehr!«
Tey floh zu Grax. Der Ged tat, als gehe ihn das Ganze nichts an.
Ayrid kam nicht umhin, immer wieder einen Blick auf den
glühenden Kreis zu werfen. Ob die Geds ihnen jetzt zusahen
– durch irgendwelche unvorstellbaren Röhren und Linsen aus
Licht?
»Ich gehe jetzt und leite alles in die Wege, damit wir die
neue Ausstattung bekommen, die wir für unsere Arbeit
brauchen«, sagte Grax samtweich. »Dahar und Lahab kommen
mit, um mir beim Tragen zu helfen, denn manche Geräte passen
nicht durch die Bodentischchen. Ilabor und Tey und Ayrid und Krijin
warten hier, bis wir wieder zurück sind. Und vergeßt
nicht, die Tür hinter uns zu schließen« – Ilabor
gab einen winzigen Grunzer von sich –, »aber ich will euch
nicht bevormunden. Wir werden jedenfalls so schnell wie möglich
wieder zurück sein. Es gibt noch viel zu lernen. Den Geds liegt
viel daran, euch zu helfen, das Antitoxin für diese juckende
Krankheit zu finden.«
Wieso? dachte Ayrid und verschränkte die Finger. Dahar wandte
sich ab, als hätte er ihre Frage gehört. Vielleicht wandte
er sich aber auch nur der neuen Ausstattung zu, dem fraglichen
Antitoxin und Grax.
Und in der entlegensten Ecke kauerte SaSa…
45
Sie hatten den fremden Verstand so satt.
Die Galaxie hatte unzählige mathematisch-logische Spezies
hervorgebracht; viele manipulierten sogar ihre eigenen Gene und
manche mit Hilfe von Chemikalien ihre Wahrnehmungen. Die Geds
begegneten ihnen mit Toleranz und dem Widerwillen jener, die wissen,
daß sich die Zivilisation aus den
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