Fremdes Licht
hattest du eins! Aber bei einem
von uns, da stehst du da und schüttelst den Kopf wie…
wie…«
Die Kriegerpriesterin sagte schroff: »Wenn ich etwas
hätte, um die Krankheit zu heilen, dann würde sie es
bekommen. Ich habe nichts. Wenn sie nicht zu den Geds will,
weiß ich auch nicht weiter. Es sei denn…«
»Es sei denn, was?« sagte Jehanna.
Die Kriegerpriesterin zögerte. »Im Waffenhof munkelt
man, daß sie in der Unterrichtshalle an einem neuen Mittel
tüfteln, dieser Ged und die sechs.« Sie preßte die
Lippen zusammen. Unter den sechs war der ehemalige erste
Stellvertreter, dem Belasir die Doppelhelix von der Schulter gerissen
hatte. »Du kannst dich meinetwegen da erkundigen. Ich halte es
für Zeitverschwendung.«
»Wieso?«
»Was verstehen Sternmonster und Delysier vom Heilen?
Wildfremde Körper und hinterlistige Menschenhirne. Und die nicht
bloß bei den Delysiern.«
Sie verließ das Zimmer. Jehanna schlug die Tür hinter
ihr zu – blaurotes Pack, wahrscheinlich tranken sie
tatsächlich Blut – und kam zurück, um sich zu Talot zu
knien, so liebevoll wie ihre zornbebenden Muskeln es
zuließen.
»Komm mir nicht zu nahe, Jehanna!«
»Zum… na gut. Hör zu, Talot. Ich bin heute abend
zur Wache eingeteilt, aber ich komme sofort zurück. Ich
laß dich nicht im Stich, ich sorge dafür, daß dich
niemand in die Mauer bringt. Bleib hier und mach niemandem
auf.«
»Ich kann nicht. Das kann ich nicht, Jehanna –
die ganze Zeit eingeschlossen, ohne Fenster, tagaus, tagein, bis
diese Krankheit… nein!«
Sie waren beide Kriegerinnen, an tägliches Training
gewöhnt und an die Freiheit von Savanne und Wildnis; Jehanna
verstand das nur zu gut. »Dann läufst du eben nachts, und
zwar schnell und ohne jemandem in die Quere zu kommen, und bleib
dicht an der Mauer.«
»Gut.«
»Ich liebe dich, Talot.«
Talot tat einen würgenden Laut. »So, wie ich
aussehe?«
»Egal, wie du aussiehst. Wir halten zusammen, wie Pech und
Schwefel.«
»Fein«, sagte Talot, aber das scheußliche Jucken
und Kratzen hatte schon wieder angefangen, und Jehanna hatte Wache.
Sie stieg eilig die Leiter hinunter, eine Miene so grimmig, daß
keine Schwester sie anzureden wagte.
Es sollte die längste Wache ihres Lebens werden.
Jehanna ging sich selbst auf die Nerven. In ihrem Kopf jagten sich
die Bilder: Talot, die ihr fleckiges Gesicht von den Knien hob;
Ayrids bleiches Gesicht, als sie sich verzweifelt gegen die beiden
miesen Kerle wehrte; die fremden, flachen Gesichter dieser
dreiäugigen Monster; der weiße Scheitel, der das
üppige rote Haar von Talot teilte…
Irgend etwas stolperte durch das Gestrüpp zu ihrer Rechten,
tief am Boden.
Jehanna duckte sich, hob die Hand mit dem Kugelrohr, die andere
Hand zog das Messer. Das stolpernde Etwas kam näher, achtlos
Zweige zerknickend, bis es aus dem Unterholz brach und unweit von
Jehannas Versteck auf den Wroffpfad torkelte – ein Krihund, ein
junges Tier noch, abgemagert und mit lichten Stellen im Fell. Jehanna
war verblüfft; sie hätte nicht gedacht, daß es nach
all der Jagerei in R’Frow noch einen Krihund gab, und was zur
Schwarzkälte war los mit dem Tier? Es begann sich wie
verrückt im Kreis zu drehen und schnappte mit geifernden
Fängen nach dem eigenen Rücken; es wälzte sich immer
wieder über einen Stein; wischte sich mit beiden Vorderpfoten
die Schnauze – und all das, ohne einen Laut von sich zu geben;
es litt offensichtlich Qualen, machte seiner Qual aber keine Luft.
Jehanna prüfte blitzschnell die Luftbewegung und welche Zweige
die Kugel ablenken mochten und wartete…
Doch das Tier nahm überhaupt keine Witterung auf, und da
schließlich begriff Jehanna.
Sie zielte so sorgfältig wie möglich und drückte
ab. Die Kugel traf das Tier am Kopf. Da erst schrie es auf – der
langgezogene, heisere Schrei fand sein Echo an der schummrigen
Kuppel, Echo und Schrei, Schrei und Echo, ein schier endloser,
schauriger Abgesang.
Jehanna wartete eine Zeitlang, bevor sie ihre Deckung aufgab;
selbst wenn der Krihund kein feindlicher Köder war, sein
Todesschrei mochte Menschen anlocken. Aber schließlich siegte
die Neugier über die Vorsicht, und Jehanna huschte auf den Pfad
hinaus und hockte sich hin, um das leblose Tier zu untersuchen. Sie
wollte Gewißheit haben.
Trotz des grauen Halbdunkels konnte sie erkennen, daß es
sich um ein weibliches Tier handelte. Die hellgraue Bauchhaut, da wo
sie fast kahl war, trug lauter nässende rötliche Flecken.
Die ersten
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