Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
Zellen sehen, selbst von den
allerkleinsten. Es müßte noch kleiner sein als ein Teil
der allerkleinsten Zelle. Aber wie kann es dann leben?«
    »Ich weiß nicht«, gab Ayrid zu. »Aber Grax
hat auch gesagt, die Anzüge der Geds wären nicht nur zum
Atmen da – sie würden die Geds auch vor unseren
Mikroorganismen schützen.«
    »Aber dieser Mikroorganismus müßte kleiner sein
als alle Mikroorganismen, die die Geds kennen«, gab Dahar zu
bedenken. »Kleiner noch als Teile von Zellen.«
    »Was spricht dagegen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ein winzigkleiner Mikroorganismus, kleiner als ein
Bakterium, so klein, daß auch ein
Vergrößerungsgerät nicht hilft, und die Geds kennen
ihn nicht.«
    Ihr war, als könne sie sehen, wie er mit gerunzelter Stirn in
die Finsternis starrte. »Aber wenn dieser Mikroorganismus so
klein wäre«, sinnierte er, »wenn eine so kleine Zelle
existieren könnte… Aber das ist unmöglich. Da
müßte man schon Teile weglassen.«
    »Wenn man nun alles wegläßt, was eine Zelle nicht
unbedingt braucht? Was wäre das dann?«
    »Aber wenn die Zelle es nicht brauchte, wäre es nicht
da. Das hat Grax ausdrücklich gesagt.«
    »Und wenn es gar keine Zelle ist?«
    »Alles, was lebt, besteht aus Zellen. Die Geds kennen kein
Lebewesen, das nicht wenigstens aus einer einzigen Zelle
besteht.«
    »Wenn es sich nun… wie soll ich sagen?« Sie
fahndete nach der richtigen Vorstellung und konnte sie nicht finden.
»Wenn dieser Mikroorganismus keine Zelle ist, wenn er nicht aus
den Teilen besteht, aus denen eine Zelle besteht… ach, ich
weiß auch nicht, Dahar. Wir wissen einfach noch zu
wenig!«
    »Nein, nein.«
    »Aber gibt es denn nichts Lebendiges, das so klein ist,
daß man es mit dem Vergrößerungsgerät nicht
sichtbar machen kann? Etwas, das Grax kennt?«
    Es klang ein bißchen gezwungen, als er antwortete:
»…nur die Doppelhelix.«
    »Aber die Doppelhelix könnte nicht leben… so nackt.
Ohne die Zelle rundherum.«
    »Nein. Grax sagt nein.«
    Ayrid schwieg. Es gab keinen Grund, an Grax zu zweifeln. Wenn es
noch andere, kleinere Mikroorganismen gab, dann hätte Grax ihnen
davon erzählt. Immer wieder hatte sich das, was der Ged ihr
erzählt hatte, als richtig herausgestellt. Sie hatte keinen
Anlaß, an Grax zu zweifeln.
    Doch Dahar ahnte ihre Zweifel, und sie spürte, wie er sich
leicht versteifte neben ihr. Behutsam, wie man mit Glas umging, das
man zu schnell erhitzt oder abgekühlt hatte, zog Ayrid ihre Hand
von ihm zurück und berührte ihn nicht, während sie
redete.
    »Dahar, was wird aus uns, wenn das Jahr vorüber ist?
R’Frow stirbt. Ich kann nicht nach Delysia zurück, zu
Embri…« Ihre Stimme schwankte ein wenig, dann schob Ayrid
den Schmerz beiseite, der zwar schwächer wurde, aber nie
erlosch. »Und du bist kein Krieger mehr – willst du nach
Jela zurück, als Bürger?«
    Ohne mich? Sie brachte es nicht über die Lippen.
    »Vielleicht geht das Jahr nicht zu Ende.«
    »Was?«
    Er schien sich innerlich zu etwas aufzuraffen. Wenn sich seine
Muskeln spannten oder lockerten, das konnte sie auch ohne
Berührung spüren – es war, als springe ein Funke
zwischen ihnen über. Er wußte etwas; er wollte es ihr
erzählen.
    »Die Geds kommen doch von einem anderen Stern«, sagte er
mit gedämpfter Stimme. »Sie wollen wieder dahin
zurück, quer durch den Raum zwischen den Sternen, in ihrem…
ihrem Sternenboot. Heute habe ich Grax gefragt, ob die Geds daran
denken, jemals nach Quom zurückzukommen, und er hat ja gesagt
– in ein oder zwei Jahren. Wir beide – du und ich,
Ayrid… Was sind schon zwei Jahre?«
    »Zwei Jahre…« Mehr brachte sie nicht heraus.
Bestürzt fuhr sie aus den Kissen hoch und saß in dem
fensterlosen, verschlossenen Zimmer, und ihr war, als stürze sie
endlos durch eine Finsternis ohne Wände. Sternenboot… Sie gab einen Laut von sich, ein kleines, ersticktes Gurgeln.
    Sofort legte Dahar ihr die Hand auf den Mund. »Sag jetzt
nichts, Ayrid. Noch nicht. Vielleicht ist das nur ein Hirngespinst
von mir – vielleicht sagen die Geds nein, wenn ich sie frage
– und für jetzt, für die Zeit, die uns noch bleibt in
R’Frow, da gilt es, soviel wie möglich von ihrer
Wissenschaft zu lernen, denn es könnte die letzte… –
sag jetzt nichts, Ayrid. Dein Kind in Delysia… – sag jetzt
nichts.« Einen Augenblick später setzte er mit einem
grimmigen Unterton hinzu: »Warum sollte man eine Chance
ausschlagen, die wir vielleicht gar nicht haben.«
    Er nahm sie so ungestüm

Weitere Kostenlose Bücher