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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Gras, in den blicklosen Augen den düsteren
Himmel, der keiner war.
    Statt der Hinrichtung ungerührt zuzusehen, hatte Belasir
sich schmählich abgewandt. Es nahm kein Ende. Dieser
verhaßte Pakt war geschlossen worden, um den Feindseligkeiten
ein Ende zu machen; statt dessen wurde in seinem Namen immer wieder
Blut vergossen. Belasir war ein Kämpfer. Es war nicht das Blut,
das sie störte. Es war diese trostlose, verdrießliche
Prozedur, mit der es vergossen wurde.
    Diese Prozedur.
    »Was gewährt wird, wird erwidert«, sagte Ischak
hölzern.
    Niemand antwortete.

 
49
     
    Jehanna stürmte in ihr Zimmer und schleuderte die Dreikugel
in die Ecke; die Waffe prallte ab, klackerte und kullerte über
den Wroffboden. »Idiotenpack – hirnlose, verlauste Idioten. Vergessen, was uns hierhergetrieben hat, all die
süßen Schwesterlein; lungern am Rand des Trainingsplatzes
und schwatzen wie die Huren und werden fett wie die Bürger
– nein, noch viel fetter. Pah! Die meisten würden vor einem
delysischen Knirps Reißaus nehmen, wenn er nur mit einem Ast
auf sie losgeht. Belasir müßte ihnen die Peitsche geben.
Ich sage dir, Talot, seit vor einem Zehnzyklus dieses Gequatsche in
der Unterrichtshalle aufgehört hat, da… Talot?«
    Talot kauerte in einer Ecke des Zimmers, die Arme um die Beine
geschlungen, die Stirn auf den Knien. Noch ehe sie ganz das Gesicht
gehoben hatte, wußte Jehanna Bescheid. Es rieselte ihr eiskalt
den Rücken hinunter.
    »Talot. Du hast die Krätze.«
    Talot nickte. Als habe die Bewegung den Juckreiz geweckt, begann
sie sich heftig zu kratzen, an Hals, Knien, Armen. Tränen der
Scham in den Augen, kratzte sie sich zwischen den Beinen, schauderte
heftig zusammen. An ihrem Kinn und vor den Ohren blühten
unregelmäßige Flecken. Ihre Nägel hinterließen
blutige Spuren.
    »Seit wann?« sagte Jehanna leise.
    »Seit vergangener Nacht. Ich wollte nicht, daß
du…«
    »Unfug. Wie schlimm?«
    Talot ächzte. »Schlimmer als Auspeitschen. Und es
hört nicht auf – komm nicht näher!«
    »Sei nicht blöd.« Jehanna durchquerte das Zimmer,
aber Talot stand auf, das Gedmesser in der Hand.
    »Im Ernst, Jehanna – komm mir nicht zu nahe! Ich will
nicht, daß du dich ansteckst.«
    »Ich auch nicht. Und wenn, bei mir war’s nicht so
schlimm wie bei dir. ›Je heller die Haut, um so
schlimmer‹, sagt man bei uns.« Sie hielt inne. Etwas
Blöderes hätte sie jetzt nicht sagen können. Furcht
und Liebe wühlten sie innerlich auf, sie wurde wütend.
    »Sei nicht närrisch, Talot – ich steck mich schon
nicht an. Badr hat es schon ganz früh erwischt, und ihre
Liebhaberin, Safiya, ist noch putzmunter. Und dieser Krieger –
wie heißt er gleich? – der seinen Kaderbruder bei sich
versteckt hat, bis die anderen – bis er ihn nicht mehr versteckt
hat. Sie waren fast einen Zehnzyklus lang auf ein und demselben
Zimmer, und er ist nicht krank geworden.«
    Es tat Jehanna weh – Talot schnappte nach Tröstungen wie
ein Krihund nach dem Knochen.
    »Dann könnte ich mich… ich will nicht zu den Geds,
Jehanna. Von denen, die in die Mauer gegangen sind, ist noch keiner
zurückgekommen, nicht ein einziger. Ich bin damals in die Graue Mauer gegangen, weil ich nach R’Frow wollte, aber
das war, bevor ich dich kannte, und ich war anders damals, ich
war…« – plötzlich wurde sie leise –
»ich war stärker.«
    Jehanna fühlte ein Kratzen in der Kehle und sah um so
finsterer drein. Es stimmte. Talot war nur noch ein Schatten ihrer
selbst, als ob sie mit ihrem Anteil an Jallaludins Tod, mit den
Geburtswehen dieses ganzen schändlichen Paktes irgend etwas
eingebüßt hätte. Jehanna hätte sie wegen ihrer
Schwäche verachten müssen, aber nein – diese
Schwäche machte die Schwester liebenswerter, und das war wieder
etwas Schändliches und genauso verrückt wie alles andere in
dieser total verrückten Stadt. Pah, wann war endlich
Schluß mit dieser endlosen Denkerei?
    »Du mußt nicht zu den Geds, Talot. Kopf hoch. Ich hol
dir eine Kriegerpriesterin – ah, laß doch,
Liebes!«
    Talot hatte wieder angefangen, sich wie wild zu kratzen. Kratzte
mit allen zehn Fingern, und ihre Nägel zogen blutige Striemen.
Als sie wieder ruhiger wurde, sagte sie heiser: »Verlaß
mich nicht, Jehanna.«
    »Natürlich nicht, Liebes.«
    Jehanna holte die Schwester, die auch zu Ayrid gekommen war. Die
junge Heilerin schüttelte den Kopf und mied die Augen der beiden
Frauen. »Ich habe kein Mittel, das hilft.«
    »Für die Schleimschnecke

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