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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Frau war doch so dämlich, daß sie sich mit
einem raschen Blick zu erkennen gab; die Hure auf der jelitischen
Seite war klüger.
    Jehanna durchmaß erhobenen Hauptes den Raum und stellte sich
zu den Kriegern. Sie waren den Delysiern zahlenmäßig
überlegen, doch das Gesindel besetzte den Eingang. Welcher
Krihund hatte Dahar geritten, daß er das zugelassen hatte?
    Sie musterte ihn verstohlen. Nicht großgewachsen, aber
breite Brust und breite Schultern – er war bestimmt stark.
Scheußlich – er sah aus wie ein Arbeiter, nicht wie ein
Soldat. Ziemlich dunkelhäutig, selbst für einen Jeliten.
Struppiges schwarzes Haar, grobe Züge. Ob Belasir wußte,
daß er nicht aus Jela stammte, sondern aus irgendeiner fremden
Stadt? Und er war ein Kriegerpriester, weder Klinge noch Löffel;
durch die beiden Sonnen auf der linken Schulter wand sich die
Doppelhelix. Daß Kriegerpriester einen solchen Rang erreichen
konnten, war Jehanna neu, und es gefiel ihr nicht. Ihr gefiel
überhaupt nichts mehr.
    »Am Anfang«, sagte der Ged, »steht der Unterricht
über die Dinge des Wissens. Danach ist Zeit für den anderen
Unterricht – den Unterricht, wo das Wissen getestet wird, wo
Dinge hergestellt werden, und wo ihr neue Waffen
kennenlernt.«
    Der Ged legte eine Pause ein. Niemand sagte ein Wort. Jehanna
wartete, ließ weder den delysischen Gegner noch ihren
Kommandanten Dahar aus den Augen – letzteren, damit ihr das
Zeichen zum Angriff nur ja nicht entging. Doch alle miteinander
verhielten sich mucksmäuschenstill.
    Die Minuten schleppten sich dahin.
    Die Stille dehnte sich, bis sie zum Zerreißen gespannt war.
Sie prickelte auf der Haut wie Schweiß. Und immer noch sagte der Ged kein Wort, saß nur da mit seinem abartigen
Gesicht und verzog keine Miene. Das war ›Unterricht‹? Das
war Training? Mist war das.
    Nicht einer meldete sich zu Wort.
    Ohne daß ihre Wachsamkeit nachließ, tauschte Jehanna
einen Blick mit der Kriegerin, die rechts von ihr stand. Ein
großgewachsenes, knochiges Mädchen mit auffallend rotem
Haar. Rotes Haar kam gewöhnlich nur bei den Delysiern vor, doch
Haltung und Statur wiesen das Mädchen eindeutig als Kriegerin
aus. Sie wechselten verstohlene Blicke, mit denen sie einander ihre
Ratlosigkeit kundtaten, und das Mädchen drehte fast unmerklich
den Daumen zum Körper: in den Schwesterkadern das traditionelle
Zeichen für übergeordnete Dummheit. Jehanna tat dasselbe
und löste sich aus dem Blickkontakt. Ganz so schlimm war es also
doch nicht. Nicht alle in R’Frow waren übergeschnappt.
    Keiner sagte ein Wort.
    Gerade als sie meinte, es nicht mehr aushalten zu können,
brach Dahar das Schweigen und fragte den Ged: »Wenn das jetzt
der Unterricht über die Dinge des Wissens ist, welche Dinge des
Wissens erfahren wir von dir?«
    Der Ged sagte sofort: »Die Antworten auf eure
Fragen.«
    »Wir dürfen Fragen stellen?«
    »Ja.« Der Ged musterte den Kommandanten eingehend. Wann
immer sie einen so anstarren, dachte Jehanna giftig, sie tun einem
nie den Gefallen, eine Miene zu verziehen. Wenn sie es in der
Waffenkunst zu solcher Meisterschaft gebracht hatten wie im
Aneinanderreihen von Unverschämtheiten, dann mußten sie
wahre Asse sein.
    Wie eine Pfeilspitze steckte der Schmerz in der verrenkten
Schulter. Jehanna biß die Zähne zusammen.
    Der Kommandant ließ seinerseits keine Anstandsregel
außer acht. Ein Kriegerpriester – sie hatten
natürlich ihr Gutes, auf dem Schlachtfeld heilten sie die Wunden
der Krieger, aber an führender Stelle… Immerhin sah Dahar
trotz seiner Grobschlächtigkeit wie ein Kämpfer aus, nicht
nur wie ein Plappermaul und Heiler. In seinen schwarzen Augen glomm
die Glut eines Hartholzfeuers. Andererseits konnten Kriegerpriester
reichlich merkwürdig sein – sie fuhren auf, selbst wenn
niemand etwas von ihnen wollte, wollten dauernd etwas wissen,
grübelten über Sachen nach, die das Grübeln nicht
lohnten. Nicht selten war der ganze Kopf aus Hartholz.
    Dahar sagte: »Ich bin Dahar von Anla, Kriegerpriester und
erster Stellvertreter des Oberbefehlshabers von R’Frow.« Er
legte eine Pause ein, wartete, doch der Ged tat das Unvorstellbare
– er verschwieg seinen Namen.
    Jeliten und Delysier verstanden die Beleidigung; die
Schleimschnecken machten keinen Hehl aus ihrer Schadenfreude, sogar
ihre Soldaten grinsten – pfui! Und das nannten sie Disziplin!
Jehanna verengte die Augen. Die rothaarige Kriegerin neben ihr
schloß die Finger zur Faust.
    Dahar wollte es erzwingen. »Sag

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