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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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mir deinen Namen.«
    Das Ungeheuer erwiderte: »Ich heiße Grax und bin ein
Ged. Ich komme von einer Welt, die um eine andere Sonne
kreist.«
    Eisiges Schweigen im Raum. Jehanna schnaubte innerlich – eher
sah sie das Leuchtfeuer untergehen, als daß sie an diesen
Quatsch glaubte. Doch Dahar beugte sich ein wenig vor, und seine
Stimme bohrte sich wie ein heißer Speer in die Stille.
    »Was wollt ihr auf Quom? Warum habt ihr R’Frow
gebaut?«
    »Um Menschen zu unterrichten.«
    »Wozu?«
    »Weil wir uns so entschlossen haben.«
    »Bist du ein Meisterkrieger? Gehört ihr zu einer
Priesterkaste?«
    Eine Pause; die Pause erinnerte Jehanna an die Pausen dieses Ged,
der sie draußen so provoziert hatte: als ob diese Ungeheuer auf
etwas lauschten. Worauf?
    »Wir sind keine Priester. Wir möchten lernen, wie
Menschen denken – deshalb sind wir nach Quom gekommen, deshalb
wollen wir euch unterrichten.«
    »Warum wollt ihr wissen, wie wir denken?« Wie ein Pfeil
schoß die Stimme des delysischen Soldaten durch den Raum. Der
Soldat hatte das Wort ergriffen, dabei hatte sein Vorgesetzter noch
keinen Ton von sich gegeben. Jehanna verstand die Welt nicht mehr.
Der Tonfall des Soldaten war anmaßend. »Was habt ihr
davon?«
    »Wir lernen dazu. Willst du nicht dazulernen? Bist du nicht
neugierig?«
    »Nein«, sagte der Delysier. Seine Anmaßung grenzte
an Unverschämtheit. »Ich will nur die Edelsteine, die uns
versprochen wurden. Wann bekomme ich sie endlich?«
    »Jeder, der ein Jahr lang in R’Frow bleibt, wird mit
kostbaren Edelsteinen belohnt.«
    Dahar sagte: »Haben wir denn eine Wahl? Wir können nicht
fort von hier, solange die Mauern verschlossen und der Himmel ein
festes Dach ist!«
    Jehanna drehte ruckartig den Kopf und starrte Dahar an. Der Himmel
ein festes Dach? Auf beiden Seiten des Raums brach ein Gemurmel aus,
ein Gemisch aus Angst, Spott und Verwirrung. Nur der sonderbare
farblose Riese tat, als ob ihn das alles nichts anginge. War er
taub?
    Der Ged sagte zu Dahar: »Woher weißt du das?«
    »Ich bin auf einen Baum geklettert, draußen in der
Wildnis, dicht an der Mauer, und ich bin an einen Himmel aus Glas
gestoßen.«
    Das Gemurmel schwoll an. Der Ged saß da und schwieg –
lauschte wieder! – und auf der anderen Seite des Raums riß
sich eine delysische Bürgerin los und schlug die Hände vors
Gesicht. Eine delysische Soldatin zog ihr Messer, und neben Jehanna
zückte die rothaarige Kriegerin das ihre. Bürger und
Soldaten verloren die Nerven. Nur die kleine Hure nicht, und auch
nicht die Schleimschnecke von Glasbläser, die Dahar anstarrte,
als hinge da noch vor seiner Nase, was er eben gesagt hatte. Direkter
Blickkontakt mit einem Kommandanten! Wäre sie doch mitsamt ihrer
Unverfrorenheit in der Savanne erfroren.
    Dahar ließ nicht locker: »Das Glas steigt an, es
wölbt sich über ganz R’Frow. Der Himmel ist ein
Dach.«
    Endlich antwortete der Ged: »Ja, du hast recht. R’Frow
hat eine Kuppel, aber sie ist nicht aus Glas.«
    Eine Kuppel aus Glas, das kein Glas war… und ihre Klinge war
zerbrochen… wie an einer unsichtbaren Wand…
    Dahar sagte: »Ihr haltet uns gefangen.«
    »Nein. Nicht euch halten wir mit der Kuppel gefangen, sondern
die Luft, die ihr atmet.«
    Aha, die Luft! Die Luft halten sie gefangen – das
Ungeheuer führte sie an der Nase herum! Ein delysischer Soldat
tat einen Schritt nach vorne, einen verhaltenen Fluch auf den Lippen.
Andere hielten sich nicht so zurück; Rufe wurden laut, und
Messer blitzten. Die Hure hatte die Hände gefaltet, und die
Knöchel der verschränkten Finger traten weiß hervor.
Eine Frau schrie.
    Dann fuhr Dahars Stimme wie eine Peitsche in den Lärm:
»Ruhe!«
    Augenblicklich verstummte die Hälfte der Anwesenden. Die
Jeliten, ob Krieger oder Bürger, taten keinen Mucks mehr. Die
Delysier fühlten sich überrumpelt angesichts des
jelitischen Gehorsams. Der delysische Kommandant runzelte die Stirn,
und Jehanna empfand ein diebisches Vergnügen – soviel
Autorität besaß der Mistkerl nicht, und das wußte er
nur zu gut. Er bellte eine Reihe von Befehlen, und seine Soldaten
stauchten jeden Bürger einzeln zusammen. Einer besaß die
Frechheit zu maulen – in Jela hätte er das mit dem Leben
bezahlt! Delysier hielten sich nur durch schmutzige Geschäfte in
Schach, eine undisziplinierte Bande war das, eine Horde Krihunde,
nichts weiter.
    Nach und nach verstummten auch die Delysier. Der Ged saß da
und verzog keine Miene; ihm schien nichts zu entgehen.
    »Warum

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