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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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so viele Jeliten,
daß nicht alle zusammen trainieren konnten. Sie würden
sich ohnehin in Bruder- und Schwesterkader aufteilen, und -so
lächerlich die Anwesenheit von Bürgern auch war – in
Krieger und Nichtkrieger; und wenn die Geds wirklich glaubten,
daß sie auch Bürger ausbilden konnten, dann hatten sie
dabei vielleicht eine untergeordnete Hilfstruppe im Auge. So weit, so
gut.
    Doch sie hatte mitansehen müssen, wie der Ged den roten Ring
auch einem Delysier ausgehändigt hatte.
    »Ich trainiere nicht mit diesem Gesindel.«
    Der Ged brauchte eine Zeitlang, bis er antwortete; Jehanna hatte
das Gefühl, als müsse er erst überlegen, was sie
überhaupt meinte. War er wirklich so begriffsstutzig?
    »Du wirst in den Raum gehen, der den roten Ring über dem
Eingang hat.«
    »Nicht, wenn Delysier in diesem Kader sind! Ich bin
jelitische Kriegerin! Ich trainiere nicht mit Leuten, die die Ehre
mit Füßen treten!«
    Wieder dieses Schweigen, nur daß es diesmal länger
dauerte. Jehanna maß das Ungeheuer mit einem kühlen und
abschätzenden Blick – schwer zu sagen, wie gut diese
Rüstung war, aber Waffen sah sie keine. Innerlich rang sie um
Beherrschung. Es war immerhin denkbar, daß diese Fremden
überhaupt keine Ahnung hatten, was es mit den Delysiern auf sich
hatte. Wenn sie nicht wußten, daß dieses Pack
Geschäfte mit dem Leben machte und sich dann nicht mal an die
eigenen schmutzigen Abmachungen hielt – daß dieses
Gesindel den Waffenstillstand inzwischen wieder gebrochen hatte
– daß es den Feiglingen bei ihren Überfällen
nicht um einen ehrenhaften Kampf mit Kriegern, sondern um Sklavenjagd
auf Bürger ging, wobei sie nicht mal vor Kindern
zurückschreckten. Wenn die Geds das alles nicht wußten,
dann war es an der Zeit, sie aufzuklären. Das Ganze war
vielleicht ein verzeihlicher Irrtum. Sie wollte nicht unfair
sein.
    Doch der Ged fragte nicht nach einer Erklärung. Er
wiederholte nur: »Du wirst in den Raum gehen, der den roten Ring
über dem Eingang hat.«
    »Nein.«
    »Du warst damit einverstanden, jeden Tag zur Unterrichtshalle
zu kommen. Das hat die Frau in Harmonie mit dir gesungen.«
    »Der Oberbefehlshaber hat mir befohlen zu kommen, und ich bin
gekommen. Aber kein jelitischer Krieger trainiert mit diesem
Abschaum!«
    Sowie Jehanna ihre Stimme erhoben hatte, waren zwei andere Geds
hinzugekommen, um ihren dreiäugigen Bruder zu flankieren. Aber
sie bildeten keine Phalanx mit ihm, und sie zogen auch keine Waffen
– sie sahen und hörten nur zu. Jehanna hätte nicht
sagen können, wer von ihnen der Ranghöchste war.
    Das sollten Meisterkrieger sein? Nicht mal Bürger würden
sich so verhalten. Zur Verachtung kam die Enttäuschung, und
Jehanna zückte ihr Messer.
    »Ich will zu einem Kader von Kriegerinnen. Gib mir einen
anderen Ring.«
    Andere, die sich unschlüssig vor der Unterrichtshalle
herumtrieben, Jeliten wie Delysier, hielten inne und sahen
herüber.
    Der Ged zögerte diesmal noch viel länger. Die Menschen
warfen sich verstohlene Blicke zu. Die drei Geds starrten Jehanna
schweigend an. Ihr kam der verrückte Verdacht, daß sie
sich irgendwie unterhielten.
    Der mittlere Ged sagte: »Du wirst in den Raum gehen, der den
roten Ring über dem Eingang hat. In dieser Gruppe werden Jeliten
und Delysier sein. In R’Frow sind alle Menschen
gleich.«
    Gleich – er hätte sie ebensogut Delysier nennen
können, Bürger oder Hure! Und was die Beleidigung noch
schlimmer machte, war der Gleichmut dieses Ged. Er gönnte ihr
nicht einmal die Ehre des Zorns. Gleichmut hieß, sie war die
Aufregung nicht wert, und zwischen Kriegern, die nicht unter
demselben Kommando standen, war das der Gipfel an
Überheblichkeit. Jehanna schoß das Blut ins Gesicht; ihre
Augen glitzerten; sie duckte sich in die Bereitschaftshaltung
für den Nahkampf mit dem Messer.
    Der Ged blieb aufrecht stehen, und er zückte auch keine
verborgene Waffe. Nach einer weiteren Pause wiederholte er: »In
R’Frow sind alle Menschen gleich.« Da sprang Jehanna.
    Der Kreis der Umstehenden klaffte auseinander. Jehannas Messer
traf den Ged am Hals, da wo der bewegliche Metallharnisch an den
Glashelm grenzte. Die Klinge hätte sich in das nachgiebige
Material bohren oder das Glas zerschmettern oder eine schwache
Nahtstelle dazwischen finden müssen. Statt dessen traf die
Klinge auf Granit und brach entzwei, und der unerwartete Widerstand
verrenkte Jehanna die Schulter. Der Ged schwankte nicht mal;
ebensogut hätte Jehanna sich gegen einen

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