Fremdes Licht
Sie
saß mit großen Augen da, und an ihren Schläfen,
unter der Haut, sah man das rhythmische Spiel winziger Muskeln.
Jehanna hob eine Augenbraue, dann zuckte sie die Achseln. Daß
die Schleimschnecke verrückt war, war nichts Neues.
Jehanna heftete den Blick auf das dreiäugige Ungeheuer, das
von einer anderen Welt kam, die um einen anderen Stern kreiste; sie
ließ seine Worte zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder
hinaus und richtete sich auf Langeweile ein.
13
Ayrid kniete vor dem glühenden Kreis in der Wand ihres
Quartiers, in einer Hand einen runden Glasstab und ein quadratisches
weißes Tuch in der anderen. Weiter hinten fläzte sich
Kelovar auf den Liegekissen. Auf seiner Haut glitzerte noch das
Wasser vom Badehaus hinter der Halle. Er beobachtete sie aus
verengten Augen. Sie waren nun schon seit fünf Zyklen oder
genauer seit fünf Großtagen in R’Frow.
»Komm, leg dich hin, Ayrid. Es ist schon spät.«
»Gleich.«
»Du hast das nun schon viermal gemacht.«
»Ich weiß. Ich…« Sie hörte nicht auf.
Eine tiefe Falte grub sich in ihre Stirn, und ihre Augen leuchteten.
Sie rieb den Glasstab erst kräftig mit dem Seidentuch, dann
hielt sie ihn über die trockenen Laubstückchen am Boden;
sie sprangen den Stab an und blieben an ihm hängen. Ayrid lachte
nervös.
»Ayrid…«
»Wroff«, sagte sie und lachte wieder, es war ein
ersticktes, verhaltenes Lachen, das mit einem dünnen Jaulton
endete. »Das hier – und das Wroff. Derselbe
›Zwang‹. Derselbe.«
»Kommst du jetzt endlich schlafen?« sagte Kelovar. Der
schroffe Tonfall ließ Ayrid aufblicken. »Tricks. Lauter
Tricks und Spielzeug.«
»Nein. Nein, Kelovar, siehst du denn nicht – sie
können uns zeigen, wie es funktioniert…«
»Tricks und Spielzeug. Das ist noch kein Grund, ihnen zu
trauen. Dafür haben wir einen Tag lang ihr Gerede und ihre
Spielchen über uns ergehen lassen, dafür und für eine
neue Waffe, auf die wir auch selbst hätten kommen
können.«
Ayrids Blick huschte über die Dreikugel in der Ecke.
»Aber wir sind nicht draufgekommen, oder?« sagte sie
sehr sanft. »Keiner in Kendast ist auf diese Idee
gekommen.«
Kelovar machte eine abwinkende Geste mit seinem muskulösen
Arm. »Sie sind uns fremd, Ayrid. Vergiß das nicht –
sie stehen uns nicht näher als die Jeliten.« Seine Stimme
wurde weicher, bekam einen nachsichtigen Tonfall.
»Natürlich interessiert dich das ganze Gerede über die
Zusammensetzung von Sachen – das ist doch klar. Du bist
Glasbläser und kein Soldat. Trau ihnen einfach nicht.«
Ayrid sagte behutsam: »Die Geds sind nicht unsere
Feinde.«
»Ich habe nicht von Feindschaft geredet«, brauste
Kelovar auf.
»Nein. Aber, sieh mal…« Sie ging zu ihm
hinüber, kniete sich neben ihn, und die Worte sprudelten ihr aus
dem Mund. »Was die Geds da sagen, daß die ganze Welt aus
winzigen, wirbelnden Teilchen besteht, die sich mal so und mal so
miteinander verbinden, aus ›Staub‹ und ›Zwang‹
– die ganze Welt, Kelovar, stell dir mal
vor…«
Sein Ärger verflog; er lächelte. »Das beeindruckt
dich, so ein Gerede.«
Ayrid starrte ihn an. Kelovar nahm ihre Hand und ließ seinen
Daumen langsam über die empfindliche Unterseite des Handgelenks
kreisen.
»Kelovar, glaubst du, daß das alles nicht stimmt?
Willst du behaupten, was die Geds von ›Staub‹ und
›Zwang‹ reden – daß das alles Lügen sind,
lauter Unsinn?«
»Nein. Ich sage ja nicht, daß es Lügen
sind.«
»Was sonst?«
»Vielleicht stimmt es, vielleicht nicht. Es spielt keine
Rolle.«
»Keine Rolle, sagst du? Sie erklären uns den ganzen
Planeten und wie sich alles darin zusammensetzt.«
Er nahm ihr Handgelenk in den Mund und biß zärtlich zu,
wie in der Nacht zuvor, als sie miteinander geschlafen hatten.
»Ich bin ja froh, wenn dich diese Spielereien amüsieren.
Spaß muß sein. Und deshalb müssen wir jetzt erst mal
dafür sorgen, daß du den ganzen Zinnober
vergißt.«
Ayrid entriß ihm die Hand. Im glühenden Halbdunkel
wirkte Kelovar überrascht. Sie forschte in seinem Gesicht; die
Überraschung war echt. Er fand nichts dabei, daß sie
einfach etwas vergessen sollte, wenn es um sein Vergnügen ging.
Aber selbst wenn er seinen Spaß hatte, tief in seinen
wasserhellen Augen lauerte immer eine unterschwellige Angst, etwas
Dunkles, das jetzt plötzlich seine Miene verfinsterte. Seine
Hand, die sie eben fortgeschoben hatte, trug innen einen grünen
Kreis.
»Kelovar, in der Unterrichtshalle bist du in einer
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