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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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die
nächsten Stunden damit, die Kaderlisten zu durchforsten,
Trainingspläne und Wacheinteilungen zu ändern und alles ins
Feld zu führen, was man über die einzelnen Krieger
wußte. Daß womöglich ein Krieger bereits gegen das
Gedgesetz verstoßen hatte, war schlimm genug; doch daß
sich kein Krieger fand, der den Übeltäter ans Schwert der
Ehre lieferte, war noch viel schlimmer. Belasir versuchte sich zwar
einzureden, der delysische Schuhmacher sei von seinesgleichen
umgebracht worden, aber Dahar merkte, wie skeptisch sie war.
    Er war es auch.
    Belasirs Geliebte funkelte ihn an, als er in den Korridor
hinauskam. Als er stehenblieb und ihr in die Augen sah, schlug sie
sofort den Blick nieder und salutierte mit beiden Handgelenken.

 
22
     
    »Gestern abend haben die Wände von R’Frow
gesprochen«, sagte Dahar zu Grax.
    Das unnatürliche Schweigen der letzten zwei Tage war einem
zögernden, unwilligen Raunen gewichen, aber bei Dahars Worten
wurde es still im Unterrichtsraum. Anstatt zu seinem angestammten
Bodentischchen zu gehen, war er stehengeblieben; ohne sich umzusehen,
spürte er, wie sich die Krieger hinter ihm strafften. Auf der
anderen Seite des Raums verlagerte der delysische Kommandant kaum
merklich sein Gewicht nach vorn und nahm seinen Waffenarm kaum
merklich näher an den Körper. Die delysische
Glasbläserin blickte auf. Dahar registrierte alles und hatte
doch nur Augen für den Ged. »Es war kein Ged in der Stadt.
Kein Ged kam in die Stadt zurück. Woher wußtet ihr,
daß man eine Kriegerin getötet hatte?«
    Grax sagte: »Die Lerngruppe ist nicht vollzählig. Wir
fangen erst an, wenn alle da sind.«
    Dahar ließ Grax nicht aus den Augen. Zwei fehlten: der Riese
und die kleine Hure, die er gestohlen hatte. Diese beiden würden
auch nicht erscheinen, es sei denn, die Geds würden sie
eigenhändig herschaffen, und das war bei dem Riesen nur
möglich, wenn man ihn vorher mit dem Betäubungslappen
außer Gefecht setzte. War das nur ein Hinhaltemanöver?
Drückte Grax sich vor der Antwort?
    Dahar wurde eines Besseren belehrt. Die beiden kamen, und zwar
unmißverständlich zusammen. SaSa hatte Blutergüsse
und Schwellungen im Gesicht. Sie hielt sich dicht bei dem Riesen, die
Augen niedergeschlagen, aber ohne einen Schimmer von Hurenschminke.
Sie trug das Haar offen, so wie es die ganz jungen, unberührten
Mädchen in Jela taten. Statt des grellbunten Hurentebels trug
sie ein loses und gerade geschnittenes Kleid aus steifem,
weißem Stoff, das ziemlich grob vernäht war, wie von
ungeübter Hand.
    Das Gesicht des Riesen war wutverzerrt. Mit wenigen, großen
Schritten war er bei Dahar, der unwillkürlich zurückwich
und sich im stillen dafür verfluchte. Die Krieger hatten ihre
Messer gezückt. Dahar hielt sie mit einer raschen Handbewegung
zurück, widerstand der zwanghaften Versuchung, selbst zur Waffe
zu greifen, und suchte die Augen des Barbaren. Er mußte den
Kopf in den Nacken legen, so dicht stand der Riese vor ihm.
    Sogar Grax wich zurück. Grax.
    Doch der Riese wurde nicht handgreiflich. Er starrte nur
wutentbrannt in Dahars Gesicht herunter, und der Zorn, der Dahar
entgegenschlug, war beredter als Worte. Dahar spürte den
heißen Atem auf der Wange, dann war der Riese an ihm vorbei und
versengte Lajarian mit seinem lodernden Zorn. Lajarian,
ranghöchster Krieger nach Dahar, wurde blaß, wich aber
nicht zurück und ließ nicht sein Messer sinken. Dann war
der Barbar bei Jehanna, und so überschüttete er einen nach
dem anderen, ob Krieger oder Bürger, mit seinem flammenden Zorn.
Er wollte sie warnen – alle, jeden einzelnen.
    Nachdem er auch den letzten eingeschüchtert hatte, ließ
er sich mit SaSa an einem Bodentischchen im Hintergrund nieder;
nicht, daß er sich SaSa gegenüber niedergelassen
hätte, nein, er setzte sich neben sie. Niemand hatte ein Wort
über die Lippen bekommen. Mit seinem unheimlichen Schweigen und
seiner brennenden Wut hatte der Barbar eine regelrechte Wand um sich
und SaSa geschmiedet, eine Wand aus durchsichtigem Wroff.
    Wenn es nach Belasir ging, konnte er die Hure behalten. Und es ging nach Belasir. Trotzdem brauchte Dahar noch eine ganze
Weile, um wieder zu seiner Frage zurückzufinden.
    »Wie konntet ihr wissen«, wiederholte er seine Frage an
Grax, »daß eine Kriegerin getötet worden war, wenn
alle Geds über Nacht in der Stadtmauer waren?«
    Grax erwiderte ruhig: »Wir wußten von dem zweiten Mord
in R’Frow, weil wir darüber informiert wurden. Die

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