Fremdes Licht
Luft ab, was den Todeskampf
verkürzte, dann ließ er ihn plötzlich los und trat
beiseite. Jallaludin kippte hintenüber. Er lag da, den Kopf in
der Stellung, die Khalids Arm erzwungen hatte; die schwarzen Augen
weit in den Regen geöffnet.
Niemand sagte ein Wort.
Khalid ließ das Messer in Jallaludins Brust. Der
Helläugige bückte sich, um es herauszuziehen.
»Laß das!« knirschte Khalid. »Es bleibt, wo es
ist!«
Der Mann grinste, als er sich aufrichtete.
»Hört zu, General«, sagte Khalid gereizt. »Wir
haben getan, was Ihr wolltet. Euer Krieger liegt da, abgestochen
wie… Aber jetzt haben wir alle gegen das Verbot der Geds
verstoßen. Delysia hat gleichgezogen mit Jela. Und jetzt ist
Schluß damit. Falls wir nicht alle aus R’Frow verbannt
werden, ist jetzt Schluß damit, hört Ihr! Schluß mit
dem Töten! Draußen galt Waffenruhe, und ab jetzt gilt sie
auch hier in R’Frow, und nicht bloß wegen der
Geds.«
Dem Helläugigen verging das Grinsen.
»Genau das wollten wir vorschlagen«, sagte Belasir mit
einer Stimme, die Wut und Scham verriet.
»Dann hat unser Treffen einen Sinn gehabt«, sagte Khalid
zornig. »Jetzt sind wir quitt. Tod ist mit Tod vergolten worden.
Sagt den Geds, was wir vereinbart haben.«
Dieser Pakt ist dem einen so zuwider wie dem anderen, sagte
der abseitige Dahar. Ob Khalid sich mit seinem Zorn Respekt
verschafft hatte? Bestimmt nicht bei seinen Männern – aber
vielleicht bei Belasir. Den Respekt, den er, Dahar, soeben verwirkt
hatte.
Laß deine Gefühle aus dem Spiel.
»Schluß mit dem Blutvergießen«, sagte
Belasir mit spröder Stimme. »Zwischen Jela und Delysia
herrscht Waffenruhe.«
Khalid wandte sich jetzt in aller Schärfe an seine
Männer und verbat sich jede weitere Insubordination. Der
Kleinere trat von einem Fuß auf den anderen und nickte
wenigstens. Der Helläugige, der sich nach Khalids Messer
gebückt hatte, zuckte nicht einmal mit der Wimper. Doch Khalid
konnte auf seine Zustimmung verzichten; er hatte Jallaludin
getötet, und damit war seine Autorität
wiederhergestellt.
Khalid wandte sich an Dahar: »Gebt uns den Leichnam des
Soldaten und nehmt den des Kriegers. Wir trennen uns.«
»Wartet«, sagte Dahar.
Khalid, der schon halb kehrtgemacht hatte, hielt inne und drehte
sich noch einmal um. Belasir stand wie versteinert da. Sie hätte
ihn zum Schweigen bringen können, aber sie wollte wissen, wie
weit er ging, wieviel er aufs Spiel setzte. Dahar wußte, was er
bereits mit dem ersten Wort aufs Spiel gesetzt und bereits mit der
ersten Lüge verloren hatte – als Belasir klarwurde,
daß er bereit war, seinen Status als Krieger um den Preis von
R’Frow zu verhökern – bereit war, zu feilschen und zu
schachern wie ein delysischer Händler, nur um an das Wissen der
Geds zu kommen.
Keine Gefühle.
»Ein Waffenstillstand kann gebrochen werden«, sagte
Dahar. »Nicht bloß durch Arglist, sondern – wie wir
wissen – auch durch Krieger und Soldaten, die sich über die
Befehle ihrer Kommandanten hinwegsetzen. Beide Kommandanten sind
anwesend. Jetzt und hier sollten Jela und Delysia vereinbaren, was
sie in einem solchen Fall tun wollen.«
Seine Worte hießen, daß keiner der beiden Kommandanten
in der Lage war, sein Sammelsurium an Militär, komischen
Käuzen und Verbannten in Schach zu halten. Das war eine
Demütigung sondergleichen – und die Wahrheit. Khalid kniff
die Augen zusammen. Dahar sah nur ihn an und ließ
Belasir außer acht.
»Die Geds könnten uns verbannen für dieses
zweifache Töten«, fuhr Dahar unbeirrt fort. »Alle,
Jeliten und Delysier. Wenn sie es nicht tun, wenn sie diesmal
Nachsicht üben, dann vielleicht auch beim nächstenmal
– falls wir sie davon überzeugen können,
daß wir in Harmonie mit Jeliten und Delysiern singen.«
»Daß ihr was?«
Dahar schoß das Blut in den Kopf. »Wenn noch einmal
getötet wird – egal von welcher Seite – dann
müssen die Geds wissen, daß kein Kommandant damit
einverstanden ist. Daß kein Kommandant so etwas billigt,
nicht einmal stillschweigend.«
Dahar hörte, wie Ischak, der hinter ihm stand, scharf Luft
holte. Dabei lag es ihm fern, irgendwem Arglist zu unterstellen. Es
ging nicht um Belasir, es ging auch nicht um Khalid. Es ging darum,
jedem Argwohn den Boden zu entziehen, die Geds bei Laune zu halten
und sich ihr unsägliches Wissen zu sichern – Wissen, von
dem weder Delysia noch Jela einen blassen Schimmer hatte, das aber
für beide von unschätzbarem Wert war.
Einen Moment
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