Fremdes Licht
eigenen Kampf.
Khalid sagte: »Die Geds verfügen über Waffen, auf
die Delysia nicht verzichten will. Waffen, gegen die Delysia keine
Chance hätte, wenn sie nur den Jeliten in die Hände fielen.
Deshalb dürfen wir nicht aus R’Frow verbannt werden, und
deshalb müssen wir tun und lassen, was die Geds von uns
verlangen. Eine Waffenruhe liegt also ganz in unserem Interesse, im
Interesse Delysias. Deshalb, Generalin, akzeptieren meine
Soldaten und ich Euren Vorschlag – und nicht wegen irgendwelcher
verschrobenen Vorstellungen von Ehre. Drei von uns, drei von euch,
und sollte sich ein Soldat oder ein Krieger über unseren Befehl
hinwegsetzen, dann bringen wir ihn hierher, an diesen Ort, und alle
sechs werden Zeuge seines Todes. Dieser Pakt liegt im Interesse
Delysias.«
Khalid schwang herum und heftete seinen Blick auf den
helläugigen Soldaten.
Der Mann biß die Zähne zusammen; die Kiefermuskeln
unter dem tropfenden Stoppelbart traten weiß hervor. Khalid
hielt den hellen Augen stand. Dann, nach einem langen Augenblick,
nickte der Mann.
Khalid sah ihn unverwandt an. »Wir führen also«,
sagte er halb ernstgemeint und halb aus triefendem Hohn, den Dahar
nur allzu gut kannte, »dasselbe Schwert, verbun…«
»Seid still!« schnitt Belasir ihm das Wort ab.
»Kennt Ihr denn keinen Anstand, Delysier? Unser Pakt erlaubt
Euch noch lange nicht, Worte in den Mund zu nehmen, die Ihr nicht
begreift. Nun laßt uns mit unserem Toten allein.«
Plötzlich loderte Zorn in Khalids Augen. Seine Muskeln und
Sehnen reagierten – auch die seiner Männer. Doch Khalid
beherrschte sich. Er gab den Soldaten ein Zeichen. Er und der
kleinere Soldat zogen sich, die Waffen sichernd auf die Jeliten
gerichtet, aus der Lichtung zurück. Der Helläugige
zögerte noch, aber gegen vier Krieger konnte er allein nichts
ausrichten. Doch bevor er abtrat, bekam Dahar noch seinen Haß
zu spüren.
»Kelovar. Du wirst noch an mich denken, Jelite.«
Als sie fort waren, wandte sich Belasir an Dahar. »Zieh das
Messer heraus.«
Dahar kniete sich über Jallaludin. Der Griff des Gedmessers
war reich beschnitzt worden; die Delysier hatten eine Vorliebe, alles
und jedes zu verzieren. In den Schnörkeln saß Wasser. Der
Griff war schlüpfrig. Dahar starrte in die blicklosen schwarzen
Augen Jallaludins. Als die Klinge aus dem Körper fuhr, sprudelte
Herzblut hinterher, ergoß sich über Dahars Hand und auf
den Boden. Er stand auf; sein Tebel war mit dem Blut des Kriegers
befleckt.
Belasir packte sein Schulterstück mit dem Abbild der
Doppelhelix und riß es herunter. Sie hob die linke Hand, die
nie eine Waffe führte, und ohrfeigte ihn dreimal. Danach war er
kein Krieger mehr.
Ischak und Talot stand das pure Entsetzen im Gesicht. Sie hatten
keine Ahnung davon, was Belasir ihm am Morgen eingeschärft
hatte. Sie ahnten nicht, wie wenig ihm an Belasir gelegen war und
wieviel an R’Frow. Talots Augen waren noch schreckgeweitet,
während Ischaks Augen sich bereits verengten; er machte sich
Gedanken.
Belasir stand da, das Emblem der Doppelhelix in der Hand. Ihr
Schweigen konnte bedeuten, daß sie noch schwankte… Er
überwand den Schock und zwang sich zu reden: »Generalin.
Wir haben eben erst den Pakt geschlossen. Wenn jetzt einer der sechs
ausgeschlossen wird, ist das kein gutes Omen für die
Krie…«
»Sei still«, fiel sie ihm ins Wort. Sie hatte das ganz
ruhig gesagt. Die Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, und ihre
schwarzen Augen sahen merkwürdig gläsern aus. Die
Demütigung, die sie erfahren hatte, war tiefer, als er
angenommen hatte. Diese Frau war bis an den Rand der
Selbstverleugnung gegangen, um Jela die Waffen der Geds zu sichern.
Er, dieser Krihundspakt und ganz R’Frow hatten die Wehrmauern
bröckeln lassen, an denen sie ein Leben lang gebaut und die sie
für uneinnehmbar gehalten hatte. In R’Frow war sie eines
Besseren belehrt worden; das Schwert der Ehre war zweischneidig, und
das nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes. Was, wenn der Pakt, auf
den sie sich eingelassen hatte, nur Blendwerk war? Was, wenn Dahar
ihr Vertrauen mißbraucht hatte?
Belasir sagte leise und mit fremder Stimme: »Kann man sehen,
wie das Leuchtfeuer untergeht?«
Ischak und Talot starrten sie an, der eine verdutzt, der andere
verblüfft. Belasir stand noch einen Atemzug lang im nassen Gras,
das Emblem in der Hand, den Blick in eine Ferne gerichtet, die hinter
den sichtbaren Dingen lag. Dann schüttelte sie den Kopf, erst
zögernd, dann immer heftiger.
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